'Ich sehe die Brücke über einen Bach' -Tandemprojekt mit jungen Flüchtlingen und deutschen Jugendlichen an der Oberschule Emstek startet heute mit 1. Schreibtag

Ich sehe die Brücke über einen Bach
Ein Projekt mit Schülern mit Migrationshintergrund und einheimischen Schülern der Oberschule Emstek


„Ich sehe eine Brücke über einen Bach. Die Brücke ist schmal. Ich glaube, dass man sich festhalten muss, wenn man über sie geht. Sie verbindet die eine Seite mit der anderen, und der Bach ist kein Hindernis mehr.“
(Rabih Semmo in: Frederike Köster, Artur Nickel (Hg.): Fremd und doch daheim?! Kinder & Jugendliche zwischen den Kulturen. Geest-Verlag 2005)

Zielorientierung
Ziel dieses Projekts der Oberschule Emstek in Zusammenarbeit mit dem Geest-Verlag, Vechta, ist es, junge Flüchtlinge und andere Jugendliche mit Migrationshintergrund und einheimische Kinder und Jugendliche miteinander über ihre grundlegenden Werte und Lebenswege ins Gespräch zu bringen. Durch eine Veröffentlichung des Gesprochenen und Geschriebenen soll ein Lesebuch entstehen, das auch über den engen Schulkreis hinaus Zugänge zum gegenseitigen Verstehen ermöglicht.
Die Projektträger gehen davon aus, dass nur das Aufdecken und Verstehen grundlegender Wertorientierungen, Lebenswege und Lebensweisen ein Verstehen untereinander möglich macht. Das Gespräch und das Schreiben soll eine Brücke zwischen den Kulturen bilden, über der wir einander begegnen und verstehen können. Damit soll rechtzeitig antidemokratischen Entwicklungen vorgebeugt werden, die durch ausländerfeindliche politische Bestrebungen auch gerade unter jungen Menschen ausgelöst worden sind.
Zugleich ermöglicht ein solches Projekt einheimischen Jugendlichen, ihre grundlegenden Wertorientierungen zu formulieren und in ihrer Wertigkeit zu überprüfen. Die Grundwerte unserer demokratischen Kultur können nur dann ihre Wertigkeit auch bei jungen Menschen behalten, wenn sie verinnerlicht und offensiv gelebt werden. Unterschiedliche Wertigkeiten etwa in der Bedeutung der Familie, Rolle der Frau, des Kindes können auch aufgrund ihres unterschiedlichen Entstehens verstanden werden etc., Fehlentwicklungen (zum Beispiel ausschließliche Konsumorientierung usw.) können dadurch vermieden werden. Auch jungen Flüchtlingen bietet sich über das Sprechen und Schreiben bei Grundwerten die Möglichkeit der Auseinandersetzung und des Verstehens, damit der Integration.
Neben den inhaltlichen Aspekten bietet das Projekt die Chance, das Erlernen der Sprache zu beschleunigen, bereits dadurch, dass die Wertigkeit des Schreibens durch eine Veröffentlichung steigt, viele Schreibaktionen in gemeinsamer Arbeit zwischen den beiden Gruppen von Jugendlichen erfolgen.

Methodik
Getragen werden soll das Projekt von sogenannten Tandemgruppen. Junge Flüchtlinge und SchülerInnen mit Migrationshintergrund der Klassen 5 bis 10 nehmen an diesem Projekt immer in Zusammenarbeit mit einem/einer deutschen Schülerin teil. Diese/dieser Schüler versteht sich weniger als Schreibpate, der Hilfestellungen gibt bei sprachlichen Problemstellungen, vielmehr als gleichberechtigter Projektpartner, der auch über die entsprechenden vorgegebenen Themenstellungen schreibt. Beide Schreibberichte über ein Thema (etwa ‚Welche Bedeutung haben meine Eltern für mich?‘) sollen als Projektergebnis im Buch festgehalten werden.
Die Gruppengröße soll 20 Kinder/Jugendliche mit und 20 Kinder/Jugendliche ohne Migrationshintergrund nicht überschreiten. Der nicht geringe Anteil von Kindern und Jugendlichen mit russlanddeutschem Hintergrund muss jeweils gesondert betrachtet werden. Hier ist die Frage, in welchem Umfang bereits integriert ist oder ob die Integrationsprozesse erst im Gange sind. Möglich erscheint es hier, einen jungen Flüchtling auch durch einen Tandemjugendlichen mit russlanddeutschem Hintergrund zu begleiten.
Bei einer größeren Gruppe über 25 sollte überlegt werden, ob eine Altersteilung stattfindet.


Neben dem Schreiben über die entsprechenden Themen ist auch das Gespräch wesentlicher Inhalt. Sich austauschen, das Hinterfragen und Überdenken des Geschriebenen sind wesentlicher Inhalt des Projekts.


Das Projekt soll an mehreren Schreibtagen (drei komplette Vormittage innerhalb der Normalschulzeit) durchgeführt werden und an den 5 Projekttagen der Schule. Freiwillige Schreibprojekte im Nachmittagsbereich begleiten die Arbeit.

 

Hauptort: Bibliothek und Meditationsraum der Oberschule
Bei spezifischen Themen wird jedoch auch außerhalb geschrieben (etwa beim Thema Tod auf dem Friedhof, beim Thema Natur etwa in einem Park, über Wasser an einem See etc.). Geplant sind auch freiwillige Schreibleistungen wie etwa Interviews von Eltern, Bekannten etc. in den Familien, Einladung von Gesprächspartnern aus den Familien in das Schreibprojekt

Kreatives/Literarisches Schreiben
Geschrieben wird nach Methoden des Kreativen/Freien/Literarischen Schreibens. Das beutet u. a.:

1) keine Zensurgebung für die verfassten Beiträge (ersatzweise andere Beurteilungsformen)
2) keine fest vorgegebenen Schreibformen
3) permanentes Gespräch über das Geschriebene
4) Öffentlichkeit herstellen für das Geschriebene
5) Schreibimpulse als Eröffnungselement des Geschriebenen
6) Entwicklung eigener Öffentlichkeitsformen und Arbeitsformen
Die Kinder schreiben als Grundzug in der deutschen Sprache. Bei komplexeren Sachverhalten dürfen sie jedoch in ihre Muttersprache wechseln. Übersetzungen durch Familienangehörige/Übersetzer vor Ort oder Autoren des Geest-Verlags.

Schreibheft/Autorenheft
Jeder der Mitwirkenden erhält ein eigenes Autorenheft, das für Erwachsene tabu ist, es sei denn der jeweilige Schreiber erlaubt einen Einblickrojek. Die Autorenhefte bilden die Grundlage des Buches. Sie werden mit in den Verlag genommen und ausgewertet.

Buchpremiere
Am Ende des Projekts soll ein ‚Lesebuch‘ zu wesentlichen Themen mit den Beiträgen der TeilnehmerInnen entstehen, das in einer Buchpremiere und möglichst einer Vielzahl anderer Lesungen vorgestellt wird.

Projektleitung
Alfred Büngen (Geest-Verlag)
Herr Kausch (Oberschule Emstek)