Jenny Schon - Drei Gedichte zum Antikriegstag

Jenny Schon


Säbelrasseln

Früher half singen
Händehalten
Reden sich zu beruhigen
Friedenspfeife rauchen
Dann wurde die
Diplomatie erfunden
Doch die hilft nicht
Säbelrassen contra
Sanktionen wäre
Es nicht so ernst
Könnte man meinen
Es wären Sandkastenspiele
Aber die Panzer
An den Grenzen sind echt
Es ist unfassbar
Der Mensch lernt nicht


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Blowin’  in the Wind
Bob Dylan zum Literaturnobelpreis



Blowin’ in the wind
ist keine Antwort mehr Bob
Die Zeit ist zu weit
fortgeschritten seit damals
Der Mensch nennt sich das Maß
aller Dinge

Er kann es ändern

Er kann die Kanonenkugel
vernichten yes he can
Er kann die Tränen
des Freundes wegküssen
Er kann den Tod nicht
aufhalten aber verhindern
Er kann Kindern essen
geben und Wohnungslosen
Herberge Er kann
träumen Hand in Hand
mit den Nachbarn
in Frieden leben
Bob yes we can

Wir müssen es nur wollen


Aus: Jenny Schon, lautes schweigen, Geest Verlag, 2019


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Käthe Kollwitz
8.7.1867 Königsberg -  22.4.1945 Moritzburg

schwarze konturen
umrisse von menschen
mit der spitzhacke bewaffnet 
staub bedeckt ihr tuch
gezeichnet die gesichter weber
marschieren zum aufstand
Käthe redet die ohnmacht
der menschen nicht klein 
aus der bosse
donnert ihr kreidestift
gegen das unrecht
immer wieder streik
nie wieder krieg

die kinder 
durchscheinend ihre gesichtchen 
dürr die händchen 
die mutter
wie eine Schutzmantelmadonna
brütet geborgenheit
in der welt der bedrohung

den sohn verloren
im Stahlgewitter und wieder
vernichtet erneut ein krieg
1943
resigniert ihr zeichenstift 
Da stehe ich und grabe
mir mein eigenes Grab
zwei jahre später stirbt
sie in Moritzburg da lag
Dresden bereits in
trümmern 

20 Jahre danach
werde ich Pflastermalerin
am Kudamm in Westberlin 
einen sommer lang 
materialisierte sich
aus der schwarzen kreide 
Das Bangen – ich ahnte
Warum


aus: Jenny Schon, Lautes Schweigen, Gedichte, Geest Verlag, 2016

Hinweis: Unbedingt das neue Käthe-Kollwitz-Museum im Schloß Charlottenburg besuchen!