Joachim Schlichte zum Gedenken - Ein Nachruf auf einen Freund

Joachim Schlichte

was für ein Mensch. Und nun ist er nicht mehr, der Pöt von Rendel. Bekennender Kreisler-Fan. Unermüdlich Dichtender. Freund, wie man nicht viele haben wird. Eigentlich kannte ich ihn nicht viel mehr denn zehn Jahre, doch scheint es mir, er wäre immer schon da. Jeder Besuch, jedes Zusammenkommen ein Spiel der Worte, nie verletzend, stets die Achtung vor dem anderen bewahrend, auch wenn er kritisierte, auch wenn er schimpfte. Ein Musikliebhaber und -kenner, dem die falschen Töne in der Musik und Literatur gleichermaßen zuwider waren. Nun die zehn Bände Lyrik, die er mit mir machen wollte, haben wir nicht ganz geschafft, sind halt nur sieben geworden. Tut mir leid, dass ich nicht schneller war. Vielleicht haben wir auch zu viel geredet und zu wenig gehandelt.

Schlichte, einer der die Worte in seine Inhalte sezierte, einer dem bereits die Koppelung zweier Silben innerhalb eines Wortes verdächtig waren. Wird es nicht falsch gebraucht, ist das Wort nicht sinnentstellt. Seine Lesungen, anstrengend, für jeden, für ihn, für jeden Hörer – zugleich für jeden eine Reise ins Abenteuer Wort. Seine Anklagen gegen gesellschaftliche Missstände messerscharf, böse, auch verletzend. Doch für ihn war eine physische oder psychische Zerstörung eines Menschen unvorstellbar, niemals hinnehmbar.

Doch all seine Lyrik durchzieht ein grundlegender Gedanke. Liebe, die Sehnsucht nach Liebe, die ihn, die uns alle prägt, die uns alle in unserem Handeln leitet. Und seine ständige Befürchtung: Haben wir gesellschaftlich und individuell die Fähigkeit zur Liebe verloren?

jener baum

dort am

weges rand

 

stakte dürre ästchen

seine nicht

mehr belaubten

 

ver zwei felt

in das grau des ihn

umgebenden himmels

 

jahre vorher

welch grimm

wurden märchen daraus

 

wir haben sie verloren

 

Mag sein, dass er sich gelegentlich amüsiert hat über unser zu viel an Hoffnung auf Änderung der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Er war sehr im Grunde sehr viel pessimistischer, auch wenn er dies nicht immer äußerte.

Und nun. Nun ist da keiner mehr, der seinen Platz wird einnehmen können, bei all den Lesungen, bei unseren literarischen Sommerfesten, bei vielen privaten Besuchen. Aber Joachim sei versichert, außer dir lässt Inge eh niemanden allein in die Küche. Und das Bier in unserem Kühlschrank. Keine Sorge, ist und bleibt deins. Danke, du Pöt aus Rendel.