Luisa Krieger - Kaffeesatzleser
Luisa Krieger, 20 Jahre, Göttingen
Kaffeesatzleser
Ich stehe neben mir, auf dem Boden die Kaffeetasse. Der Henkel, der meinem Griff entglitten ist, liegt so, dass er traurig aussieht. Darüber ein Puzzle aus Scherben, von dem ich hoffe, dass es sich von selbst zu meinem Glück zusam-menfügen wird. Wartend versuche ich währenddessen, mir aus den dunkel bewölkten Fliesen eine Sonne zu basteln. Es will mir nicht gelingen. Zurück bleibt ein bergiger See aus Flecken, zerbrochenem Porzellan und meinem Fußboden.
Saubermachen muss ich davon alles.
Meine Hand greift nach dem Lappen und geht in der Spüle verloren, die von dreckigem Geschirr geflutet ist, über-schwemmt mit Besteck und Essensresten. Sie findet alles außer einen Lappen. Verwirrt krabbelt mein Blick die Fensterbank entlang, auf der sich die Blume fragt, warum ich mir Kaffee, aber uns beiden kein Wasser mache, bleibt aber erst an dem grünen Lappen hängen, der deplatziert auf einem der Stühle entspannt. Ich gehe hinüber und greife nach ihm, aber als ich ihn auf den Boden werfen will, stutze ich.
Von dieser Seite scheint der Bergsee aus Kaffee und Scherben seine Wellen in Formen zu ordnen. Mein Puzzle erfin-det seine Teile neu, und als ich bemerke, dass mich der traurige Henkel anlächelt, sehe ich plötzlich eine Lösung. Sofort klebt sie sich zwischen die Rillen meines Gehirns wie in die Fugen der Fliesen, und ich realisiere, dass man schon eine Antwort finden kann, wenn man die Überreste des Schick-sals schief anguckt. Nur die Probleme muss man dann anscheinend noch selber aufwischen.
Ich werfe den grünen Lappen in die Kaffeepfütze und stehe nicht mehr neben mir, sondern neben der Kotze des Schicksals und meiner nicht mehr ganz so grünen Blume, mit der ich mir jetzt erstmal ein Glas Wasser teile.
Von Kaffee bekomme ich sowieso immer Kopfschmerzen.