Mehr als nur ein Märchen - Ein Ergebnis des Schreibworkshops in Basel
Eine der Schreibaufgaben des Schreibworkshops in der Villa Mobile in Basel war, ein neues Märchen zu schreiben. Grundbedingung dabei, dass der Schreiber selbst und eine klassische Märchenfigur verwendet werden. Die Ausgangssituation: Es ist Samstagmorgen und der Schreiber steht bei einem Bäcker an der Theke und möchte Brötchen für ein gemütliches Frühstück kaufen. Da plötzlich legt sich eine Hand von hinten auf die Schulter ...
Die Ergebnisse dieser Schreibaufgabe waren bemerkenswert. Jeder der Mitschreibenden schuf ein eigenes, neues Märchen mit überraschenden Wendungen. Hier ein Ergebnis:
Sprachlos
von Esther Schmid (Basel)
Ich stand an der Theke eines Bäckerladens und wollte mir Brötchen für das Frühstück kaufen. Da plötzlich spürte ich auf meiner Schulter etwas Breites, Patziges und Weiches. Ich drehte mich um und sah, es war die Pfote eines Wolfes. Ich blickte ihn an und sah in weiche, warme braune Augen. Seinen kräftigen, grossen korpulenten Körper nahm ich gar nicht wahr. Ich fragte ihn, ob ich was für ihn tun könnte.
„Und ob kannst du was tun für mich. Kaufe 30 Brötchen für mich. Das kann ich nicht, ich habe nicht so viel Geld. Ich bin arbeitslos. Ich brauche diese Brötchen. Ich habe eine Bärenfrau und Junge zu Hause. Du musst ... sonst …“
Vor lauter Angst grabschte ich mein Kleingeld zusammen und kaufte 30 Brötchen und übergab sie ihm. Er nahm sie entgegen und ohne „Danke“ zu sagen verliess er den Laden.
Auch ich verliess den Laden. Ohne Brötchen, weil mein Geld nicht mehr dafür reichte.
Traurig zog ich nach Hause mit hungerndem Magen. Ich legte mich aufs Bett, machte mir Vorwürfe. ‚Warum nur hast du ihm diese Brötchen bezahlt. Du hast Hunger. Es kann dir doch egal sein ob seine Familie Hunger hat. Warum hast du ihm nicht klar gesagt, dass du das nicht willst. Hattest du Angst vor seinem starken Körperbau?’ Tausend Fragen und nicht wenige Vorwürfe an mich. Ich fühlte mich schlecht.
Plötzlich klingelte es an der Türe. Immer noch schlecht gelaunt öffnete ich sie. Ich erschrak. Da stand der Wolf. Seine Arme waren voll mit Gemüse, Rüben, Kartoffeln, Kohl und vieles mehr. Er übergab mir alles und bedankte sich für die Brötchen. Sprachlos und mit einem dankenden Lächeln auf dem Gesicht schloss ich die Türe.