Ní Gudix - Politisch korrekte Ballastexistenzen


Ní Gudix
Politisch korrekte Ballastexistenzen

Im III. Reich nannte man die Behinderten
„Ballastexistenzen“.

Heute nennt man sie politisch korrekt
„Menschen mit anderen Bedürfnissen“.

Wieso „andere Bedürfnisse“?
Andere als normale Menschen?
Behinderte sind also keine normalen Menschen?
Es gibt also Menschen mit normalen Bedürfnissen
und Menschen mit anderen Bedürfnissen?

Auf diese Weise
ist es deutlich, dass wir für euch
weiterhin nur Ballastexistenzen sind,
nur halt jetzt politisch korrekte Ballastexistenzen.

Wie in dieser Kleinanzeige: Ein Fernsehsender
„sucht gut gelaunte Menschen mit anderen Bedürfnissen und ihre Betreuer“.
Politisch korrekte Ballastexistenzen
sind natürlich rund um die Uhr gut drauf.

Die Bezeichnung „Menschen mit anderen Bedürfnissen“
meint: Behinderte sind nicht wie wir,
Behinderte sind was anderes.
Gehören nicht dazu,
passen nicht rein.
„Auf Leute wie dich sind wir hier nicht eingestellt.“
„Mit Leuten wie dir gibt es halt immer Probleme.“

Leute wie ich müssen also ausgesiebt werden,
damit es keine Probleme gibt.
Leute wie ich halten den Betrieb auf.
Leute wie ich haben andere Bedürfnisse
und müssen in Sonderschulen, wo man
auf diese anderen Bedürfnisse eingestellt ist.
Und von der Sonderschule in die Werkstätten,
von den Werkstätten ins Heim.
Da gibt es speziell ausgebildetes Personal,
spezielle Therapien und spezielle Hilfsmittel.
Die Maschinenparks für die anderen Bedürfnisse.
Damit es im normalen Leben keine Probleme gibt.

Und wenn eine Kamera kommt: Alle lachen!
Behindert sein ist toll, das ist die neue Botschaft!
Politiker lassen sich gern mit uns fotografieren.
Gut gelaunte Behinderte: gut fürs Image eines jeden Politi-kers.

„Menschen mit anderen Bedürfnissen“
klingt, als wären wir
eine Art Hobelspäne,
eine Art Probeexemplare
und als ginge es um
eine Art Resteverwertung.
Das, was halt so abfällt, wenn man Menschen macht.
Die guten ins Töpfchen, die anderen ins Heim,
und da wird dann so lange an ihnen rumgeschraubt,
bis sie kameratauglich und gut gelaunt sind.

Was wir durchmachen, interessiert keinen.
Hauptsache, die Fassade stimmt.
Potemkinsche Inklusion für die Andersbedürftigen.
Sind wir so eine Art kaputte Maschinen,
die speziell ausgebildete Freaks brauchen,
damit man uns der Außenwelt zumuten kann?
Sind wir eine Art Duracell-Hasen oder Aufziehpüppchen,
die man mit Sondergebrauchsanweisungen versieht?
Sprechen, laufen, ticken wir anders –
fühlen wir anders?

Nein.
Behinderte sind Menschen.
Und als Menschen haben sie das Bedürfnis
        nach Liebe
        nach Achtung
        nach Respekt
        nach Anerkennung
        nach Zärtlichkeit
        nach Nähe
        nach Intimsphäre
        nach Fairness.
Ganz normale Bedürfnisse.
Wir wollen gut essen, gut trinken, gut schlafen,
wir wollen guten Sex und schönen Urlaub,
ein menschenwürdiges Dach über dem Kopf
und das Geld, das uns zusteht.
Wie jeder normale Mensch auch.

Behinderte sind ganz normale Menschen.
Mit Handicaps. Na und?
Mit guter Laune, mit schlechter Laune.
Mit Wut im Bauch, Trauer oder Verzweiflung oder auch nicht.
Aber nicht „mit anderen Bedürfnissen“.