Nachwort von Olaf Bröcker zu 'Aus Farbstürzen'

Frederik Bösing
Danielle Bullermann
Pia Haskamp
Katarina Klein
Thi Quynh Anh Nguyen
Antonia Uptmoor
Lina Vaske
Maren Wegmann
Aus Farbstürzen
mit Grafiken von
Thi Quynh Anh Nguyen
und Ngoc Nguyen

Geest-Verlag, Vechta-Langförden 2015
ISBN 978-3-86685-502-1, ca. 230 S.

 

Fördern – aber wie?

Ein Nachwort von Olaf Bröcker

 

Seit einigen Tagen gibt es eine neue „Artist in Residence“ in Vechta: die Schweizer Autorin und Journalistin Annalisa Hartmann. An ihrem ersten und bisher einzigen Tag in Vechta brachte unser Verleger, der sie an diesem Tag betreute, sie mit in die Schreibwerkstatt. Nach der Vorstellung und einigen Absprachen über das vorliegende Buchprojekt bat der Verleger die Schülerinnen, ihre Texte vorzustellen. Das Gespräch danach war eher knapp, da die Gruppe die Texte schon kannte, aber zum Schluss wurde ein unbekannter Text vorgelesen. Die Mitglieder der Gruppe reagierten wie immer mit ehrlichen, kritischen Aussagen zum Text und mit Hinweisen, wie bestimmte Dinge wirken und was vielleicht zu verbessern wäre. Die Schweizer Autorin bemerkte später, diese Art, über eigene Texte zu sprechen, sei für sie eine voll­kommen neue Erfahrung gewesen.

Zwei wichtige, vielleicht entscheidende Aspekte einer literarischen Schreibwerkstatt spiegeln sich in dieser kurzen Begegnung. Das Vorstellen eigener Texte im Kreis von Autorinnen und Autoren, ohne dabei in Wettbewerb zu treten und ohne befürchten zu müs­sen, unangemessene Äußerungen zu hören, bewirkt einen Effekt, den sich andere Künste in Meisterklassen und -kursen zunutze machen: Durch gemeinsame Arbeit an den eigenen Werken ergeben sich Effekte, die wertvoller sind als die Summe ihrer Einzelteile. Die Gruppenmitglieder sind zweitens selbst Autoren und wissen, wie viel Persönliches in einem solchen Text steckt und was man daher sagen darf – und was nicht; nicht, weil es verletzen würde, sondern weil es über­haupt nicht weiterhelfen kann. Überdies kennen die Schülerinnen und Schüler den Entstehungsprozess von Texten und sind damit in der Lage, gezielt auf Struk­turen hinzuweisen, die überflüssig oder störend sind.

Meisterklasse? Ist das nicht ein wenig hochgegriffen? Lesen Sie die Texte und bilden Sie sich eine Meinung! Vielleicht stellen Sie unterschiedliche Ansätze in den Beiträgen einzelner Autorinnen fest? Unterschiedliche Stilformen? Die jungen Menschen, die diese Anthologie verfasst haben, entwickeln sich noch; drei von ihnen sind erst seit einem knappen Jahr Mitglied der Schreibwerkstatt. Wie würden sie sich entwickeln, wenn ein Jahr mehr Zeit bliebe. Vor allem für die Reife von Schülerinnen und Schülern ist die Rückerstattung des 13. Schuljahres überaus wichtig; nicht, um mehr lernen zu können, sondern, um die Zeit zu bekommen, sich zu entwickeln, reifer zu werden. Und danach besser auf die Welt außerhalb des Schutzraumes Schule vorbereitet zu sein und sie aktiver annehmen zu können. Die drei Schülerinnen, die erst seit einem Jahr in der Arbeitsgemeinschaft schreiben, machen jetzt Abitur – nach zwölf Jahren.

Und noch einmal: Meisterklasse? Haben Jugendliche überhaupt die Fähigkeit, anspruchsvoll zu schreiben? Warum trauen wir jungen Menschen zu, Talent für Theater zu haben, außergewöhnliche Musiker zu sein – aber natürlich keine Schriftsteller? Jugendliche können sogar etwas, was erwachsene Autoren nicht mehr schaffen: spontan hervorragende Texte verfassen. Wir Älteren sind viel zu erfahren dazu, denken viel zu viel mit, was wir gelesen oder erlebt haben. Jugendliche sind in der Lage, aus einem kurzen Impuls heraus Handlungen oder Lyrik entstehen zu lassen – und so arbeitet die Arbeitsgemeinschaft Schreibwerkstatt auch mit diesen knappen Impulsen: ein Wort, Bilder, Musik, oder einfach abstrakte Formen. Nahezu alle Texte in diesem Buch sind so entstanden. Einige andere – mehr als in den bisherigen Gruppen – sind zu Hause verfasst, in die Sitzung mitgebracht und dort besprochen worden.

Dies ist die vierte eigene Anthologie der Schreib­werk­statt – und wieder ist ein Buch entstanden, das die Eigenheiten dieser Gruppe widerspiegelt und durch ihre Texte weiterträgt. Die Qualitätsdichte ist hoch, die Breite der Stile ist ebenso groß. Viele Texte sind kurz, es ist mehr Lyrik entstanden als in vergangenen Gruppen, nur wenige ausführliche Erzählungen sind dabei. Diese Autorinnen und Autoren bevorzugen es meist, Eindrücke zu erzeugen, sie auf uns herabstürzen zu lassen, und dann müssen wir zu­sehen, wie wir mit ihnen klarkommen.

Der Schritt zu einem eigenen Buch ist groß; man sagt, jeder zehntausendste Bundesbürger habe die Chance, einen eigenen Text gedruckt zu sehen. Der Geest-Verlag und sein Leiter Alfred Büngen geben uns diese Gelegenheit. Was er und seine Lebensgefährtin Inge Witzlau an Arbeit in unsere Gruppe und ihre Ergeb­nisse investieren, habe ich in den letzten Monaten gemerkt, als ich selbst eine Anthologie herausgegeben habe. Mehr als einen Dank haben wir nicht anzubieten.

Axel Fahl-Dreger gibt uns bei der Buchpremiere ein weiteres Mal die Möglichkeit, in seinem Museum im Zeughaus zu Gast zu sein, ein wirklich wunderschöner Leseort.

Auch unser Schulleiter, Herr Rörsch, und das Kollegium am Gymnasium Antonianum unterstützen unsere Arbeit, nicht zuletzt bei Sonderaktionen aller Art. Hier sagen wir ebenfalls danke!

Eine Reihe weiterer Personen macht unsere Arbeit erst möglich und verdient daher unseren Dank; genannt werden sollen hier stellvertretend die Eltern, Freunde und Geschwister der Gruppenmitglieder.

Ach ja: Was der Titel bedeutet? Lesen Sie die Gedichte und Erzählungen und wahrscheinlich werden Sie ihn verstehen! Viel Freude!