Neue Frankfurter Presse berichtet über Joachim Schlichte 'Er lässt Elefanten weinen'
Er lässt die Elefanten weinen
Joachim Schlichte-Bierbaum, der sich „Rendeler Dorfpoet“ nennt, hat
schon 800 Texte verfasst
Rendel wird Joachim Schlichte-Bierbaum vor allem abends kreativ. Dann
verfasst er tiefsinnige und komplizierte Texte, die er «Nicht-Gedichte»
nennt. Foto: Stefanie Desiree Rieger
Von Stefanie Désirée Rieger
Gedanken, Traumfetzen oder
Aphorismen – so beschreibt Joachim Schlichte-Bierbaum sein literarisches
Erstlingswerk «Auch Elefanten weinen». Es wird kommende Woche in Rendel
vorgestellt.
Karben. Auch wenn es sich nach
Angaben des Geest-Verlags (Vechta) um einen Gedichtband handelt,
vermeidet Schlichte-Bierbaum selbst dieses Wort, das an Lyrik im Sinne
Goethes oder Eichendorffs erinnert. «Mir geht es darum, mit Worten zu
jonglieren, Sprache zu sezieren und einen Sinn sichtbar zu machen»,
versichert der Rendeler, der beim Verlag unter dem Namen Joachim
Schlichte geführt wird. Und das tut er am liebsten nachts. So wie viele
seiner bekannten Vorgänger aus diversen Literaturepochen. Erst dann wird
der Musikwissenschaftler richtig kreativ.
Wenn die Sonne untergegangen ist und es still wird in Rendel, zieht sich
Schlichte-Bierbaum an seinen Schreibtisch zurück und brütet über einem
weißen Blatt Papier. «Doch das ist nicht allzu oft der Fall. Meist bin
ich unterwegs, begegne Menschen und notiere mir einen Satz. Daraus
entstehen dann nachts meine ,Nicht-Gedichte’», sagt er. Wenn der
Sprachartist von seinen Texten spricht, dann nennt er sie
«Nicht-Gedichte».
Kein Versmaß, kein Reim
Doch worin unterscheiden sich solche von eigentlichen Gedichten? «Vor
allem durch die Tatsache, dass weder ein Versmaß noch ein Reim vorhanden
sind», erklärt Schlichte-Bierbaum, der auf dem Buchcover auf den
zweiten Namen verzichtet. Schlichte sei eben schlichter und passe besser
zu Titel und Inhalt. Denn gerade dieser Inhalt ist es auch, der mit
Worten so zu schwer zu beschreiben ist – auch für den Neu-Schriftsteller
selbst.
Während es in dem einen gedichtähnlichen Text um verkrümmte Apfelbäume
geht, handelt der andere vom falschen Umgang mit Rohstoffen wie Plastik.
Schlichte-Bierbaum sieht seine Texte als ein Spiegelbild der
gesellschaftlichen Situation des Individuums im Zeitalter einer
durchinstrumentalisierten Ökonomisierung. Botschaften will er
transportieren, ist aber nicht so vermessen zu glauben, die Welt und ihr
Bewusstsein für die Umwelt ändern zu können. Der Rendeler nimmt
beabsichtigte Entfremdungen vor, bricht Regeln und bestehende Gesetze.
«Wörter werden ihrer Großschreibung entledigt, häufig in Wortfetzen
zerlegt, um sie in ihrer eigentlichen Bedeutung erfahrbar zu machen und
zugleich neuen Bedeutungen zuzuführen».
Herausforderungen
So beschreibt der Leiter des Geest-Verlages, Alfred Büngen, den Reiz der
Texte, die zugleich eine große Herausforderung für den Leser
darstellen. Nicht der Versuch einer neuen, sinnerfüllenden Ideologie
treibe ihn an, vielmehr der Versuch eigener sinnlicher und gedanklicher
Existenzrettung, versichert der promovierte Musikwissenschaftler. Mehr
als 800 Texte hat der «Rendeler Dorfpoet», wie er sich selbst
bezeichnet, bereits verfasst. Wird sein Gedichtband, der erstmal in
einer Auflage von 300 Exemplaren erscheint, ein Erfolg, sollen auch
bisher unveröffentlichte «Nicht-Gedichte» eine Leserschaft finden.
Buchpremiere ist am 29. April
(Donnerstag) ab 19 Uhr im Dorftreff in Rendel. Verlagsleiter Alfred
Büngen führt in den Band ein, dann liest der Autor. Die musikalische
Gestaltung des Abends übernimmt Simon Ehrler.
Artikel vom 22. April 2010, 03.23 Uhr (letzte
Änderung 22. April 2010, 10.10 Uhr)