Rezension zu Claudia Engebretsen: Märzwölken (aus dem Norwegischen übertragen)
DER MYTHOS VON CLAUDIA ENGEBRETSEN ... Claudia Engebretsen: „Märzwolken“. Roman, Geest-Verlag. Vechta-Langförden, Deutschland 2010, (440 S.)...
(aus dem Norwegischen übertragen von Claudia Engebretsen)
Das ist ein interessantes Projekt mit besonderem Charakter: Claudia Engebretsen (65), geboren und aufgewachsen in der DDR, seit 1976 mit einem norwegischen Psychologen verheiratet – und seitdem wohnhaft in Norwegen, erzählt hier im Roman „Märzwolken“ konkret und fast hemingwayisch direkt – über ein selbsterlebtes, modernes Romeo und Julia-Motiv: Wie eine DDR-Julia und ein norwegischer Romeo umeinander kämpfen, jenseits bürokratischer und politischer Grenzen! ... Gleichzeitig bekommen wir ein inneres Bild von einem Staat, der DDR, der nicht mehr existiert... Vielleicht hat der Roman einen leicht kritischen Gesichtspunkt; aber ein wacher Leser wird feststellen, dass ähnliche Probleme auch unter verschiedenen kapitalistischen Gesellschaftsformen und Verhältnissen entstehen können. Eigentlich geht es hier um ein existenzielles Problem, unabhängig von Staat und Zeit... Ja, Claudia Engebretsen führt eine leichte und einfühlsame Feder und hat die Fähigkeiten noch so kleine Momente aufzuzeigen und ihnen eine größere, weitere, fast mythische Perspektive zu verleihen: Zwei Liebende, die umeinander kämpfen ... Die Hauptpersonen heißen Tina und Björn – und sie treffen sich das erste Mal in Prag ... Die deutsche Tina hat einen wohlhabenden Vater, der ein loyaler DDR-Bürger ist: Er akzeptiert sogar, dass die Tochter ein wenig „diskriminiert“ wird, Kinder von Arbeitereltern haben den Vorrang in der DDR! ... Genug davon, - der Leser kann selbst darüber entscheiden, inwieweit sich die DDR gegen innere und äußere Feinde verteidigen sollte, mitten im kalten Krieg zwischen Ost und West... Ich selbst habe eine Vorliebe für die DDR, - Brechts Vorreiter in Kulturfragen und einen heroischen Staat in der Nachkriegsgeschichte, durch ein Lehrstück von einem Land, das den Sozialismus auf den Splittern eines nazistischen Bodens aufbauen will, nichts weniger... Und ich habe viele Besuche in Solidarität mit dem Erbe der DDR hinter mir; das Land, das von den besten Traditionen auch in Norwegen lernen wollte, von Ibsen über Kielland bis Nordahl Grieg... Genug darüber, - der Roman „Märzwolken“ der 65-jährigen Claudia Engebretsen ist ein wichtiges literarisches und auch politisches Dokument; vielleicht doch paradox? .. Ja, dieser Roman hätte auch in einer offenen DDR herausgegeben werden können, jenseits Untergrabung und Mauer und kaltem Krieg--- So, ich möchte Claudia Engebretsen mit diesem Aktenstück einer literarischen Wiederauflebung der verlorenen Zeit gratulieren, über das Romeo- und Julia-Motiv: Die Liebe siegt, durch Mythos!