Schreibtipp: Performativer Widerspruch

Performativer Widerspruch
 
Wenn wir reden oder schreiben, tun wir damit etwas. Mit „Sie kommen Aufforderungen prinzipiell nicht nach“ sagt man etwas aus, behauptet etwas. Philosophen sagen auch, man erhebt einen Geltungsanspruch (= diese Aussage ist wahr). Mit „Kommen Sie Aufforderungen prinzipiell nicht nach?“ fragt man nach etwas, versucht, eine Information einzuholen. Und wieder etwas anders sieht es aus mit „Ich verspreche, Aufforderungen prinzipiell nicht nachzukommen“.
 
Man könnte noch etliche Sprechhandlungen anführen. Eine davon wäre die des Aufforderns, vielleicht gar Befehlens: „Kommen Sie Aufforderungen prinzipiell nicht nach!“ Warum kommen wir aber mit dieser Sprechhandlung in Schwierigkeiten, während die anderen doch problemlos nachzuvollziehen sind?
 
Wer eine Aufforderung vollzieht, muss davon ausgehen, dass die Aufforderung eventuell auch befolgt wird. Das gehört zu den Gelingensbedingungen einer Aufforderung. Ansonsten wäre es von vornherein sinnlos aufzufordern. Wenn nun die Aufforderung beinhaltet, dass diese Gelingensbedingung ausgeschlossen ist, hängen wir in Luft. Es ergibt sich ein Widerspruch zwischen Inhalt und Gelingensbedingungen der Sprechhandlung. Das nennt man einen performativen Widerspruch (performativ = eine mit einer sprachlichen Äußerung beschriebene Handlung zugleich vollziehend).

 

aus dem neuen Duden-Newsletter