Text zum Stoppelmarkt - Schlaraffenland von Daniela Heying

Einen Text zum Stoppelmarkt hat Daniela Heyin geschrieben. 6 Tage lang gibt es diesen Markt hier in Vechta, auf dem praktisch rund um die Uhr gefeiert wird. Die Firmen geben ihren Mitarbeitern sogar Stoppelmarktsgeld. Insgesamt besuchen etwa 800.000 Besucher dieses Volksfest.

 

Schlaraffenland
Daniela Heyng

Das Schlaraffenland … ist nicht ganz so, wie wir es uns vorstellen. Dort fließen nicht Milch und Honig, sondern Cola, Bier und Kurze im Überfluss, und von allen Seiten schreien Brezel, Crêpes und Pommes: „Iss mich!“ Bunte Lichter säumen die Wege des Landes, glühen in der Nacht, lassen niemals Dunkelheit zu. Von überall zerren unsichtbare Versuchungen an dir, die brüllen und feilschen: „Gibt dein Geld aus! Komm schon, du brauchst es doch nicht, gib es mir! Na los!“
Der Mittelpunkt des Schlaraffenlandes ist groß und rund, und kleine schwebende Schirme kleben an seinem Rand, wenn es sich dreht. Von seinem Gipfel überblickt man ganz Schlaraffenland, ganz am Rande nimmt man die abrupt gezogene Landes-grenze wahr, hinter der der schnöde Ur-einwohner lebt, wenn er das Land verlässt.
Doch schon lenkt der große Turm der Macht ab und der Alltag ist vergessen, während man in Ehrfurcht vor seiner schieren Größe versinkt. Es ist nicht still in Schlaraffenland, von jeder Ecke schwirren Töne und Lieder und überlagern sich, bis niemand mehr versteht, was er gerade sagt. Das ist aber nicht schlimm, wer will selbst reden, wenn das schon die 30.000 Menschen um einen herum tun?
Hin und wieder kommt es vor, dass ein Schlaraffenlandbewohner sich zu lange in einem der Bierflüsse aufhält oder verse-hentlich in die Quelle fällt, aus der der Kurzen-Bach entspringt. Auch das ist kein Problem für die Saugfrösche, die immer zur Stelle sind und den Bewohnern helfen, das loszuwerden, was nicht in ihrem Magen bleiben mag.
Schlaraffenland schläft niemals, denn die Dreifaltigkeit von Spaß, Tanz und Alkohol gebietet: „Du sollst nicht aufhören zu feiern bis zum sechsten Tag.“ Und da die Schlaraffenländer sehr gläubig sind, befolgen sie, was ihre Götter ihnen auftragen, vor allem das wichtigste Gebot von allen: „Trinke mit deinem Nächsten oder mit dir selbst. Aber trinke.“

 

aus: Straßenfeger

Literarischer Stadtführer
für die Stadt Vechta
Verfasst von der Schreibwerkstatt
des Gymnasiums Antonianum
Herausgegeben vom
Museum im Zeughaus, Stadt Vechta
Ein Communauten-Projekt

Geest-Verlag 2011