Vor siebzig Jahren: Von "Nesthäkchens" Schöpferin und vom Hungertod "lebensunwerter" Patienten --- Die Vortragsreihe der Berner Bücherwochen startet an diesem Wochenende mit zwei wichtigen Vorträgen

Vor siebzig Jahren: Von "Nesthäkchens" Schöpferin und vom Hungertod "lebensunwerter" Patienten --
Die Vortragsreihe der Berner Bücherwochen startet am Wochenende mit zwei wichtigen Vorträgen

Was dem Enkel sein Harry Potter ist, war der Oma ihr "Nesthäkchen" — eine Romanfigur, mit der man sich prima identifizieren konnte, die von Buch zu Buch mit einem mitwuchs und einen begleitete von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Die Abenteuer der blonden deutschen Arzttochter Annemarie Braun, genannt "Nesthäkchen", füllten zwischen 1913 und 1925 zehn Bücher, die schon damals ein Millionenpublikum fanden und ihre Schöpferin, die Schriftstellerin Else Ury, weltberühmt machten.

Die Berner Bücherwochen starten ihre Reihe "Vortrag und Lesung" an diesem Wochenende mit zwei Veranstaltungen:

Am Samstag liest und referiert die Dortmunder Schriftstellerin Marianne Brentzel über die Lebensgeschichte eben jener Else Ury. Deren Todestag jährt sich in diesem Jahr zum 70. Mal. Gestorben ist Else Ury im Alter von 65 Jahren in den Gaskammern  von Auschwitz, weil sie Jüdin war. Im Vertrauen auf den Zuspruch ihrer Leser hatte sie bis zuletzt eine Flucht vor den Nazis abgelehnt, weil sie fest daran glaubte, ihr könne nichts geschehen. "Mir kann doch nichts geschehen" heißt denn auch das Buch von Marianne Brentzel, das das Schicksal der Else Ury beleuchtet. Brentzel, Jahrgang 1943, hat sich auf Lebensläufe "spannender Frauen" spezialisiert und u.a. Bücher zu Hilde Benjamin und Bertha Pappenheim verfasst. Ihr Buch über Ury erschien 1993 erstmals unter dem Titel "Nesthäkchen kommt ins KZ". Nach Auswertung weiterer Dokumente erschien es 2003 in überarbeiteter Fassung neu und wurde mittlerweile bundesweit wiederholt auf Lesungen, sowie unter großem Lob von mehreren Radiosendern und Zeitungen vorgestellt. (SA 26.10., 20:00 Kulturmühle Berne Maschinenhaus, Eintritt 8,00 Euro/ 5,00 Euro ermäßigt und Vereinsmitglieder).

Auch der zweite Vortrag befasst sich mit der Nazizeit. Der Historiker Dr. Ingo Harms, Universität Oldenburg, stellt im Seniorenheim Kückens — dem Gelände also des ehemaligen Krankenhauses Berne — neue Forschungsergebnisse vor zur Funktion des Berner Krankenhauses unter den Nationalsozialisten. Harms, 62, arbeitet seit ca. 30 Jahren über die Medizingeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts in der Region. Er ist Mitbegründer und Leiter der Forschungsstelle Geschichte der Gesundheit- und Sozialpolitik (GGS) am Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik der Universität Oldenburg und hat zahlreiche Forschungsergebnisse zum Thema veröffentlicht. Grundlegendes hat Harms insbesondere zu den Krankenmorden in der ehemaligen Anstalt Wehnen (Bad Zwischenahn) ermittelt: Diese erfolgten häufig durch absichtlichen Nahrungsentzug (Verhungern-Lassen). Harms wird anhand von Dokumenten darlegen, ob und inwieweit auch das Krankenhaus Berne in dieses Euthanasie-System eingebunden war. (SO 27.10., 19:00, Seniorenheim Kückens, der Eintritt ist frei).

Eine vorherige telefonische Anmeldung (R. Rakow, 04406-920046) ist den Organisatoren bei beiden Vorträgen willkommen, sie ist aber nicht erforderlich.

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 in Woche 3 der Berner Bücherwochen:

Freitag, 25.10. 17:30
Großer Saal des Kreishauses Brake
"zwischen Kuschelbär und Liebesglück"
Premiere des Buches der Pestalozzi-Förderschule Brake

Samstag, 26.10. 20:00
Kulturmühle Berne, Maschinenhaus
Marianne Brentzel: "Mir kann doch nichts geschehen -- Die Geschichte der NESTHÄKCHEN-Autorin Else Ury"

Sonntag, 27.10., 19:00
Seniorenheim Kückens
Dr. Ingo Harms: "Hunger-Euthanasie im Dritten Reich und die Rolle des ehemaligen Krankenhauses in Berne"

Weitere Infos, ständig aktualisiert: www.reinhardrakow.de

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Förderhinweis: Die Berner Bücherwochen werden gefördert von der Stiftung Niedersachsen.

Weitere Förderer sind die Oldenburgische Landschaft KdÖR aus Mitteln des Landes Niedersachsen, die EWE-Stiftung, die Regionalstiftung Wesermarsch der Landessparkasse zu Oldeburg, Rügenwalder Mühle und weitere private Spender. Ohne diese Zuwendungen wären die Bücherwochen nicht realisierbar gewesen. Wir danken allen Förderern vielmals.