Zu Volker Gallé: flügelschlag des raben
Buchpremiere Volker Gallé 'Flügelschlag des raben'
am 10. Dezember 2010 um 20 Uhr
im Weingut Geistermühle
(Flonheim-Uffhofen).
(Anmeldung erforderlich)
Zum Buch:
die niederlagen, der verlust, das unvermögen, die trauer, die kränkung, der tod, der einzelne – es gibt ein melancholieverbot in der massenkultur und es ist notwendig, den ganz persönlichen blues zu verteidigen und zu formulieren, ganz exemplarisch, damit man lernt, dem einzelnen zuzuhören, stille zu lesen, zeitfenster zuzulassen, in die hinein das verlorensein sprechen kann. Insofern aber ist die melancholie keineswegs geistig, sondern sehr körperlich, sehr persön-lich, sehr emotional, eben eine leidenschaft. ganz zu unrecht wurde sie seit der aristotelischen wiederkehr im mittelalter dem kühlkopfigen an die brust geordnet.
der enthusiasmus dagegen, wie er in sturm und drang, in der frühen aufklärung wieder an die oberfläche der kultur trieb, wurde als über-spannt, krankhaft, selbstmörderisch denunziert, als bloß emotionale verirrung des sich übersteigernden subjekts. dabei weist er doch ei-gentlich über das subjekt hinaus, belebt die welt und bezeichnet als lichtvolle stimmung die irrtümlich verloren geglaubte einheit von den-ken und sein. er tritt allerdings nur noch außerhalb von kirchen und schulen in erscheinung. überall im grunde. im denken ist er ganz au-ßer sich und reinigt das melancholische gefühl. der mensch wird so zum gotteswerkzeug, das die welt begeistert, sofern er sich dem den-ken schauend überlässt. im enthusiasmus erscheint die welt im licht des einen, in der melancholie verschlingt sie dagegen den einzelnen.
die ästhetik als wissenschaft vom wahrnehmen und gestalten lässt denken und schauen zusammenfinden im schönen. sie ist kein subjektives empfinden, sondern einfach die lichtvolle seite der welt, die zu ihrem bewusstsein kommt. schöpfung eben, die aufjauchzt, wenn sie sich selbst erkennt in bildern, landschaften und erzählungen des den-kens. hier schreibt sich die schöpfung frei und der schöpfer lacht in diese begegnung hinein. auch deswegen ist die poesie immer auch philosophisch und die philosophie poetisch, wenn sie wahr werden will. Im gelingenden augenblick enthusiastischen denkens wird wis-senschaft wieder zur weisheit, nachdem sie im rückzugs- und vernei-nungsland zunächst technik und fühlenden jammer geboren hat.
und schließlich ist dieser längst vergessene enthusiasmus still und völlig unbrauchbar für den oekonomischen nutzen des alltags. für den sinn jedoch öffnet er fenster und türen, zwischenräume aus dem nichts heraus. und das gibt sowohl der oekonomie des alltags als auch den empfindungsclustern der biografien eine notwendige rich-tung. dichten bedeutet daher ein freisetzen an jedem möglichen und unmöglichen ort. es ist die sprache des utopischen enthusiasmus, der ersten vorwegnahme einer topografie gelingenden lebens in naher oder ferner zukunft. der methode nach ist die poesie exakt.