NWZ berichtet über Begeisterung beim Konzert Tichmann/Dskalis und der Lesung von Hannolre Hoger in der Konzertkirche Warfleth

 

Kultur

Hoger begeistert als begnadete Vorleserin

 

Lesung in Kirche am Deich – Tichman und Daskalis spielen Mozart

Warfleth „Ausverkauft!“ hieß es schon vor Wochen, und doch fanden Unbeirrbare irgendwo noch ihren Platz in der Warflether Kirche am Deich. Aus Berlin und Köln, aus Leer und Vechta waren sie angereist, aus Nordenham und Lemwerder. Und natürlich aus Hamburg, wo es Ende Januar in der Laeiszhalle das Programm geben wird, das in Warfleth 2013 uraufgeführt worden war: „Kuriose Liebesgeschichten“ mit Hannelore Hoger (Lesung) und Nina Tichman, Klavier. Die Hamburger Laeiszhalle ist nämlich was? Ausverkauft.

Alle, fast alle, kamen, um Hannelore Hoger live zu erleben, die heiß geliebte und hochbepreiste Film- und Fernsehschauspielerin. Dabei stand doch Mozart auf dem Programm, seine Sonaten „für Klavier und Violine“ (KV 296, 301, 304), dazu die grandiose KV 380. Ariadne Daskalis (Geige) und Nina Tichman (Klavier), beide aus den USA stammende Professorinnen, beide international mehrfach ausgezeichnet, bescherten Mozart-Ignoranten eine Lehr- und Mozart-Freunden eine Sternstunde: bezwingend leicht und lebendig, mit naturhaft wirkender Gediegenheit kam ihr Mozart daher, ungezwungen und atemraubend homogen bis ins letzte Trillerchen.

Die beiden verstehen sich spürbar, sprechen eine Mozart-Sprache, treffen beide den nämlichen Ton aus vornehmer Gelassenheit, Zuversicht und Wärme. Technische Bravour diskutiert man nicht. Man hat sie.

Selbst die vertracktesten Klippen in Mozarts Es-Dur-Sonate werden in herzeiniger Heiterkeit genommen, und alle freuen sich mit. Esprit und Seele, Grazie und Grandezza vereinen sich so zauberhaft verzaubernd, dass man den Wunsch verspürt, die Zeit möge stillstehen.

Dass die meisten eigentlich hier sind, um Hannelore Hoger zu lauschen, tut der Begeisterung keinen Abbruch. Im Gegenteil: Nach jedem einzelnen Satz wird heftig applaudiert, nach dem Schlusssatz noch ein wenig heftiger. Und wenn Hannelore Hoger gelesen hat, steigert sich der Applaus zum Beifallssturm.

Hoger liest „Der eigensüchtige Riese“ und „Die Nachtigall und die Rose“, Märchen von Oscar Wilde, und von Wolfgang Borchers die Weihnachts-Erzählung von den drei dunklen Königen.

Sobald sie liest, verstummt auch das letzte Nebengeräusch, die Zuhörer geben sich der Kunst einer begnadeten Vorleserin bedingungslos hin: wie sie leiser wird und laut, wie sie die Stimme abdunkelt und wieder aufhellt, wie sie brüllt und flüstert, stammelt und stockt, zuschlägt und streichelt. Keiner aus dem Publikum wusste vorher, was sie lesen würde, und selbst vom ausgedruckten Programm weicht sie zweimal ab. Und doch ist jeder, der sie hört, ganz nah bei ihr und ihrem Text.

Als Zugabe liest Hannelore Hoger einen Brief, den Rosa Luxemburg zu Weihnachten 1917 aus dem Gefängnis an die Freundin schrieb. Es geht um die Qualen eines misshandelten Büffels vor einem Wagen. Hoger führt die Tragödie so bezwingend vor, dass kein Auge trocken bleibt – um endlich die Tränen der Rührung zu wandeln in Tränen des Glücks, indem sie ihre Lieblingsweihnachtslieder zum Mitsingen anstimmt: „Tochter Zion“ und „Stille Nacht“. Dann bricht der Jubel los.