Anja-Rosa C. Thöming (Hg.): Genussvolles Aneignen der Künste. Festgabe für Gudrun Schulz, Vechta: Geest 2018 (eine Rezension)

Anja-Rosa C. Thöming (Hg.): Genussvolles Aneignen der Künste. Festgabe für Gudrun Schulz, Vechta: Geest 2018, brosch., 690 Seiten, ISBN 978-3-86685-664-6, 44 Euro

Es lohnt sich, diese Festschrift zu würdigen. Zwar kann man unmöglich alle Beiträge zur Sprache bringen – auch sie erwähnen, würde den Rahmen einer Rezension sprengen; aber die Herausgeberin und die Geehrte sind dem Rezensenten bekannt – durch Nachbarschaft und anregende Zusammenarbeit.
Dass kein Beitrag unter meinem Namen zu finden ist, ist ein Zufall, der es mir jetzt ermöglicht, einen Kommentar zu dem umfangreichen Sammelwerk zu veröffentlichen.
Zunächst dokumentiert der Inhalt die vielfältige Vernetzung und freundschaftliche Verbindung der Jubilarin; und ich bin nach wie vor traurig darüber, dass ein bundesweit einmaliger Versuch, einen Fachbereich Sprachen, Kunst, Musik zu etablieren, langfristig am Fachegoismus scheiterte. Die Festgabe bezeugt inhaltlich nicht nur die Plausibilität sondern auch die Chancen einer solchen interdisziplinären Verwaltungseinheit.
Faszinierend finde ich die Beiträge von Boy Hinrichs und Beata Halicka (die ich noch als Studierende vor mir sehe). Eine spannende Neudeutung des Ganymed, für mich beinahe atemberaubend, einer frühen Dichtung von Johann Wolfgang Goethe: Boy Hinrichs erklärt gründlich, kenntnisreich und plausibel die bisherigen Interpretationen des Sturm und Drang-Textes für falsch und grundsätzlich irrig.
Auf die Spur des zu Unrecht vergessenen Klabund setzt sich Beata Halicka und rückt sein Werk und seine Heimatstadt Crossen/Krosno Odrzanskie (126) ins Zentrum ihrer Überlegungen.
Überhaupt durchzieht die Suche nach und sorgsame Reaktivierung von Texten und Autoren wie ein roter Faden die Festgabe.
Hans Adolf Halbey wird aus der rein sprachspielerischen Ecke herausgeholt (75ff); Theodor Kramer (149ff) dient zum Anlass, der österreichischen Nazivergangenheit kritisch nachzuspüren, und ihre Exilautoren (wobei ich Georg Kreisler vermisse) in Erinnerung zu rufen (179); Paul Celan/Paul Antschel (184ff) wird erfolgreich aus seinem verbreiteten Verrätselungsklischee befreit; sogar Mozarts Zauberflöte gewinnt durch die gründliche und inspirierende Neuinterpretation der Herausgeberin an inhaltlichem und musikalischem Zauber. Lesezeichen, ihre vergangene und gegenwärtige Funktion, wunderschön illustriert, sowie die Textualität von Bildern bis hin zu den Niederungen der Bühnenkunst (409ff) befördern im Kontext mit künstlerischen Abbildungen von Studierenden (399) und der Augsburger Kollegin Helga John (73, 259, 337, 379, 549, 671) und vom langjährigen Freund Werner Schinko (405, 407) den im Titel ausgespannten Rahmen von Kunst, Musik und Literatur.
Wen wundert's, dass auch das Bilderbuch, Gudrun Schulz' Begleiter von Anfang an, seinen eigenen Stellenwert in der Reflexion der Autoren behauptet.
Es ehrt den Geest Verlag, dass er die verlegerische Betreuung dieses lesenswerten und jedem Buchfreund zu empfehlenden Schmöker-Buchs übernommen hat. Folgerichtig schmücken den Anfang eine lyrische Widmung (2) des Verlegers (ohne Autor) und den Schluss ein Aphorismus/Essay über Das Buch (690)

Eberhard Ockel