Anna Thommes, Zurückzumir

Anna Thommes, 15 Jahre, Hirschhorn-Langenthal
Zurückzumir

Weißt du, wie das ist
Wenn die Welt auf einmal steht
Vorher alles laut, alles geht
Das Leben war der Fahrer
Vielleicht auch der Autopilot
Du der, der mitfährt
Alltag hat geregelt
Der Lebenszug hat nie getrödelt
Voran, voran, voran, bloß schnell
Abfahrt, D-Zug, Weichengestell
Kaum Zeit zum Atemholen
Oder Innehalten oder
Checken, was passiert
Taub-weitergehört-und-doch-kaum-gelebt
Aber es war fine, chillig, irgendwie stressig
Hauptsache weit weg von dir,
bloßweitwegvondir

Plötzlich
Stockend
Bleibt er stehen
Dein Lebenszug
Jetzt fahrerlos
Plötzlich
Stockend
Stille

Stille?

Zögerndes
Luftschnappen
Sog des Atems
Innehalten, abgebremst
Plötzlich
Stockend
Zu dir kommend
Zurückzudir
Hören lernen
Diese ferne
Harmonie, Melodie, Fantasie
Checken, was passiert
Plötzlich
Stockend

Immer mehr Gedanken
Rosenranken
Voller Dornen
Blätterst durch die Synapsen
Erinnerung, endlich, und
Bewässerung
Der toten Äste
Eine Vision, ein Gedanke, eine Frage
Plötzlich da
Das Bewusstsein
Fürs Leben, nicht fürs Existieren

Lernst dich kennen
Mich
Ich?
Schön, mich zu sehen
Mich endlich mal zu treffen
In person, im Reallife
Der Mensch in der reflection

Vielleicht
Ist die Stille
Besser als der Lärm
Endlich mal
Ruhe vorm Leben
Am Bahnhof geblieben
Erstmal abgeschaltet
Alles gründlich verwaltet

Doch dann
Wird‘s dunkel
Stock- und zappenduster
Mit mir allein
Im Nebel, im Sein, im Schein
Alles, was vorher
Stumm, still und taub,
Das ist jetzt laut
Plötzlich
Rasend
Mein eigner Kopf

Gedanken Fragen Antworten Schreien
Ohne Vorwarnung
Ohne Hinweisschild
Ohne fremde Hilfe
Mich mit mir selbst verstehn
Weitergehn, aus eigener Kraft
Die Beine in der Hand,
Den Bauch im Herzen,
Die Ohren auf den Lippen,
Auf dem Weg
Zurückzumir
Durch Stille und Gestrüpp,
Durch Stillstand und Gewald,
Durch die Ruhe und das Wasser
Stetig, nicht mehr stockend
Auf dem Weg zurück

Zurück
Zu
Mir.