Kleiner Versuch über Mauern

(aus seinem in Arbeit befindlichen neuen Band: 'Zwischen Tür und Amsel')

1
Mauern sind WahrZeichen eigentümlicher Verhältnisse
Mauern parzellieren Landschaften und Städte
Mauern teilen Reiche und Einflussreiche
Mauern trennen Besitzende und Besitzlose
Mein und Dein
Innen und Aussen
Hüben und Drüben
Mauern demonstrieren Macht und Furcht
Mauern verwehren Einblicke und Übergriffe
Mauern sperren aus und sperren ein
Mauern haben immer zwei Seiten

2
Mauern sind DenkMale trauriger Zeiten
Mauern enthüllen Habgier und Hilflosigkeit
Mauern zerteilen Häuser und Herzen
Mauern durchqueren Räume und Hirne
Mauern lassen manchen ruhiger schlafen
und rauben anderen den Schlaf
Mauern scheiden Realitäten und Geister
Mauern behindern Beziehungen, blockieren Gefühle
Mauern entzweien die Einheit der Gegensätze
verwandeln den lebendigen Widerspruch
in einen erstarrten Status quo
Mauern täuschen Ausweglosigkeit vor
Mauern sind Ausgeburten der Angst

3
Mauern haben oft Löcher
Mauern sind kein Problem für Panzer und Vögel
Mauern sind in der Regel nicht so breit wie hoch
Mauern bieten manchmal Schutz und Schatten
Mauern bilden idyllische Nischen in windigen Zeiten
Mauern sind Nistplätze für Schwalben und Falken
Mauern umfrieden Spielplätze und Friedhöfe
Mauern werden rissig, brüchig verfallen mit der Zeit
Mauern verlieren früher oder später ihre Funktion
Mauern sind selten von Dauer
Eines Tages wächst Gras drüber