Aleksandra Wozniak - Was Kultur ausmacht (JUgendliche melden sich zu Wort am 25. Janaur)

Hördatei: 

Was Kultur ausmacht

Ich heiße Aleksandra Wozniak. Ich bin 20 Jahre alt und habe gerade mein Abitur absolviert. Gebürtig stamme ich aus Polen, genauer gesagt aus Ausch-witz, dem Ort, der wegen dem Vernichtungslager der Inbegriff der Unkultur ist.
Ich lebe mittlerweile seit ca. 17 Jahren in Deutsch-land und habe mich sehr gut integrieren können; jedoch fehlen mir in Deutschland die Kulturen, Menschen und die Atmosphäre, die ich aus Polen kenne.
Ich würde nicht sagen, dass ich mich in Deutsch-land unwohl fühle, trotzdem fehlt mir irgendetwas hier. Oft denke ich darüber nach und kann nicht genau sagen, was es ist. Wenn ich dann in Polen bin und mir wieder diese Frage stelle, finde ich eine Antwort: Die KULTUR! In Polen gibt es viele Kultu-ren und Sitten. Außerdem zeichnen sich die Men-schen mit besonderen Eigenschaften aus.  
Essen, die Stadt, in der ich wohne, wurde zur Kul-turhauptstadt gewählt. Warum ist Essen die Kultur-hauptstadt? Diese Frage stelle ich mir oft. Ich bin zwar erst 20 Jahre alt, habe dafür jedoch schon ein paar Städte sowie Länder besichtigt. Und das führt mich noch mehr dazu, mir die Frage zu stellen: "Warum Essen?"
Oft laufe oder sitze ich in der Essener Innenstadt und gucke mir einfach nur die Menschen an. Dabei fällt mir auf, dass es scheint, als ob alle Menschen blind seien, nur Reichtum, Schönheit und Glamour sehen. Der Obdachlose, der sie nach Geld fragt, den sieht man nicht oder will man nicht sehen.
Die Menschen machen sich Gedanken um Kultur-hauptstädte, bauen riesige Einkaufszentren, locken mit teuren Marken und dieses Wettrüsten nimmt kein Ende!
Ich frage mich: Was macht eine Kulturhauptstadt aus? Ist es das reiche Angebot an Institutionen?
Ist es die Stadt, die am meisten bieten kann?
Ist es die Stadt mit dem höchsten Ansehen?
Für mich sollte eine Kulturhauptstadt andere Krite-rien erfüllen.
Zunächst sollte sie Kultur überbringen, für diese offen sein und diese akzeptieren sowie tolerieren. Zur Kultur gehören, meiner Meinung nach, jedoch Sitten und Rituale. Aber genau diese fehlen mir hier in Deutschland, in Essen. Ich spüre wenig, sehe wenig und empfinde wenig, wenn ich mir die Men-schen, ihr Leben und ihr Verhalten ansehe. Dies kommt in Polen viel deutlicher rüber. Dort wird nicht auf Marken, großen Prunk und Glamour ge-achtet. Dort sind die Menschen einfach nur Men-schen, die sich kennen, besuchen, einladen, grü-ßen, zusammen was machen. Wenn ich dort in der Stadt sitze, spüre und sehe ich etwas, was die Menschen, die Kultur, ausmacht.
Für mich ist eine Kulturhauptstadt eine Stadt, die nicht mit Reichtum prahlt oder die Kultur nur mit Museen, Theatern und anderen Institutionen über-liefern will, sondern eine Stadt, die von den Men-schen, ihren Kulturen, Werten und Normen geprägt ist.
Ich möchte nicht, dass mein Text als direkte Kritik gesehen wird, sondern eher als ein Text, der Fra-gen stellt und Antworten sucht!
Für mich ist eine Kulturhauptstadt keine Stadt, die tolle große Gebäude und Einkaufzentren hat, son-dern eine, die gutem Willen in sich trägt und in der die Menschen die Kultur überbringen, indem sie z.B. den Bedürftigen helfen , anstatt das neue gro-ße Einkaufzentrum zu durchstöbern. Ich würde gerne in der Essener Innenstadt sitzen, die Leute ansehen und dasselbe spüren wie in Polen.

Aleksandra Wozniak ( 20 Jahre )

Buch: