Daniela Heyng - Staubtanz (Gedicht des Tages)

Hördatei: 



 

Über Netze alt gewoben,
durch den Staub, der fein zerstoben,
wandern zarte Sonnenfinger,
brechen durch den Gläserzwinger.

Ganz hinten an der langen Wand,
mit Holz vertäfelt elegant,
stehen Vasen, voll mit Blumen,
Jahrzehnte alt, zerfall’n zu Krumen.

Truhen, die das Licht verschlucken,
in denen sich die Motten ducken;
es malt ein Bogen hell aus Licht
in bunten Farben Schicht um Schicht.

Auf das Glas der Schauvitrine,
es bleicht das Holz der Violine,
und fällt am Ende, alt und schal,
auf das Bibliotheksregal.

Ein Lesepult in kahlem Schwarz,
an seinen Seiten klebt das Harz,
und obenauf bereit zum Fluch
liegt offen drauf ein Magierbuch.

Schon lange hat kein Finger mehr
bewegt die Seiten hin und her,
nur ein Hauch, jedoch kein Wind
berührte noch der Stifte Kind.

Ganz zaghaft liegt auf einer Seite
im Licht der Herbstesabendscheite
ein zartes Wesen ohne Scheu
auf dem Buch, gegilbt durch Heu.

Man möchte denken: Oh wie schön,
ein Schmetterling aus luft’gen Höhn.
Doch dem, der hinsieht, nicht entgeht,
der Schmetterling schon nicht mehr lebt.