Dieter Wöhrle - Bekehrung eines Skeptikers (Gedicht des Tages am 27. März)

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Bekehrung eines Skeptikers

Er war allein, enttäuscht vom Leben
und traute nichts und niemand mehr.
Wo andere dem Glück nachstreben
und Idealen, war er leer.

Im Drogeriemarkt, Kasse sieben,
fiel sie zum ersten Mal ihm auf.
Sie schien das Leben selbst zu lieben
trotz Schichtarbeit und Spätverkauf.

Und beim Kassieren wie beim Scannen
war herzlich sie zu jedermann.
Entbehrung ließ sie nicht erkennen
und steckte ihn mit Lachen an.

Sie sprach: „Das Glück kommt stets von innen,
zwei Kinder darf ich nennen mein.
Im Lotto wird’ ich bald gewinnen,
den Jackpot knacken. Ich allein!“

Und dabei strahlten ihre Augen,
verwirrten ihn, stimmten ihn sanft.
Die Fröhlichkeit er wollt’ aufsaugen
und sein wie sie, so unverkrampft.

Vier Wochen später, an den Kassen
kein Strahlen mehr. Sie sah ihn an:
„Der Laden schließt. Ich werd’ entlassen.
Bis bald. Man sieht sich irgendwann.“

Nun war bestätigt seine Haltung:
Zu hoch der Lebenslust Gebühr,
das Dasein – eine Frustverwaltung.
So war’s. Er hasste sich dafür.

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