Dieter Wöhrle: Dolce Vita in Moabit (Gedicht des Tages am 29. Mai)

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Dolce Vita in Moabit

Hotte lebt von Erbsensuppe,
Bier und Schnaps, dazu ne Fluppe,
kennt hier jede Imbissbude.
Doch erst kürzlich zeigt’ ihm Trude
diesen Schickimicki-Laden.
Hotte denkt, es könnt nicht schaden,
Trudchen mal groß auszuführen,
um die Zuneigung zu schüren

und der Dame so zu zeigen,
dass er spielt auf allen Geigen.
In das Edelristorante
führt er sie, wo der galante
Kellner ihnen bringt die Karte.
Hotte ignoriert die Schwarte.
Um der Frau zu imponieren,
fängt er gleich an zu parlieren.

„Ober, eenen Roten willick,
mit Jeschmack und trotzdem billig.“
„Wünschen vielleicht Bardolino
oder Chianti, beste Vino?“
„Nee, nen Roten willick, weeste,
und ’n Schnäpperken, vastehste!“
„Wünschen Grappa, molto bene?“
„Richtje Schnäpse haste keene?“
 

Später dann Tomatensoße
spritzt auf Hottes beste Hose.
„Mensch, wat sind de Pilze lecker“,
Trudchen geht ihm auf den Wecker.
„Hast doch jar keene uff Tella.“
„Trotzdem lecker.“ „Iss man schnella!
Und als Appetitanreja
nehmwa noch zwee Hirnausfeja.“

Sonntag drauf, bei Bier, Buletten,
Pommes Majo und Kroketten,
Paule fragt: „Wie wart jewesen?
Ham die wenigstens ’nen Tresen?“
Hotte hierauf aus Erfahrung
lobt mediterrane Nahrung,
die Toskana, Dolce Vita.
Und bestellt ’nen Schnaps bei Rita.

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