Dieter Wöhrle - Ein U-Bahnwagen spricht (Gedicht des Tages)

Hördatei: 

Ein U-Bahnwagen spricht

Eingespannt in diesen Schlangenzug,
fahr´ ich täglich auf der Linie sieben.
Manchmal hab´ von alldem ich genug,
fühl´ mich müde, hin und her getrieben.

Randbezirke, dann die Innenstadt.
Start in Spandau, immer Richtung Rudow.
Hermannplatz: Hier fress´ ich mich mal satt
an Gerlinde, Murat, Cem und Udo.

Schlinge Menschenmassen in mich rein,
spuck´ sie wieder aus und brause weiter.
Mir egal, wer wütend, wer allein,
wer verzweifelt ist, wer glücklich, heiter.

Leid und Ärger im Beziehungsnest?
Nicht das Geld, bei Karstatt einzukaufen?
Betteln, Elend und der ganze Rest:
Nicht mein Thema, muss auf Schienen laufen.

Hab´ kein Mitleid, und es ist mir gleich,
ob ich Deutsche, Türken, Polen schlucke,
wenn ich Junge, Alte, arm und reich
wenig später auf den Bahnsteig spucke.

Eingespannt in diesen Schlangenzug,
fahr´ ich täglich auf der Linie sieben.
Manchmal hab´ von alldem ich genug,
fühl´ mich müde, hin und her getrieben.

Berlin, 21.6.2012

 

 

Dieter Wöhrle
Rheinstraße 50
12161 Berlin
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Mail: dieterwoehrle@web.de
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