Dieter Wöhrle - Hildegard ist verliebt (Gedicht des Tages)
Hördatei:
Dieter Wöhrle
Hildegard ist verliebt
„Verliebt“, das klingt für Hildegard
so ähnlich wie „verwirrt“, „verlaufen“,
und ist sie mal in wen vernarrt,
geht´s schief und ist zum Haareraufen.
Versagensängste, Panik pur:
Das ist nicht schön. Das ist Tortur.
So ist´s auch diesmal. Zitternd, blass
starrt auf ihr Handy sie seit Stunden
voll Sehnsucht, schweißgebadet, nass.
Es klingelt. „Ja, hier...“, falsch verbunden.
Sie sitzt noch lang am Telefon.
Was ausbleibt, ist der Klingelton.
Am nächsten Tag ihr fehlt die Lust,
zu schmücken sich und schön zu kleiden.
Die Freunde werden ihr zum Frust,
lenken sie ab doch nur vom Leiden.
Und muss sie doch mal aus dem Haus,
sieht elend sie und kränklich aus.
Sie kapselt ab sich, gibt sich stumm,
allein mit ihren Seelenschmerzen,
und fragt sie sich nach dem Warum,
kommt wenig, doch es kommt von Herzen.
„Verliebt“, das klingt ihr wie „verirrt“,
„vertan“, „verquast“, „vermurkst“, „verwirrt“.
Den Jungen, dem ihr Leiden galt,
hat nach zehn Tagen sie vergessen.
Zwar steht sie noch im dunklen Wald,
doch fängt sie wieder an zu essen
und freut sich auf den nächsten Mann.
Der wird sich wundern, was sie kann.
Und nun die Contenance gewahrt:
Sind wir nicht alle Hildegard?