Dieter Wöhrle - Lebensansichten des Hauskaters Nepomuk (Gedicht des Tages)

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Lebensansichten des Hauskaters Nepomuk

„Die vielen E-Mails!“ schimpft mein Alter.
Verwaltungsarbeit hält ihn auf.
Für ihn, den Miezekatzenhalter,
das Wochenende selbst geht drauf.
Da sitzt er dann an Korrekturen,
ist Pädagoge, Germanist.
Das hinterlässt so seine Spuren,
dagegen hilft auch keine List.
Er wills nicht anders, muss sich strafen.
Ich bin jetzt müde und will schlafen.

Die Tagesschau ist grad vorüber:
Von Kriegen reden sie und Not.
Die Aussichten sind immer trüber,
den falschen Kurs nimmt unser Boot.
Was du auch hörst, es sind meist Lügen.
Verzockt wird hart verdientes Geld,
die Boni kriegt man fürs Betrügen,
und das in jedem Land der Welt.
Man könnte links und rechts die Tatzen…
Entschuldigung, ich muss mich kratzen.

Ein Fernsehkrimi läuft im Zweiten.
Die Schauspieler sind mir bekannt.
Erst gestern eben sie befreiten
von Bösewichtern unser Land.
In all den Filmen stets die gleichen
Gesichter, schön und makellos.
Man will uns das Gehirn einweichen,
bis wir dann halten für famos
den Einheitsbrei, der immer krasser
wird, Durst macht. Wo ist denn mein Wasser?

Auch Frohsinn herrscht bei uns bisweilen.
Dann schwelgt der Alte in Kultur,
liest laut Fontane, um zu teilen
das, was er nennt Erbauung pur.
Und wie oft hör ich Bach und Schumann,
er übt sich oft und gern daran,
ermahnt mich dann: „Hör doch mal zu, Mann!“
Entzücken simulier ich dann
und alles ist bei uns in Butter.
Na ja, was solls, ich brauch jetzt Futter.

Berlin, 19.4.2010

Dieter Wöhrle                                                                    
Rheinstraße 50
12161 Berlin
Tel.: 030 – 3922294
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