Gerhard Zielke - Beichte eines Versagers (russlanddeutsche Autoren vorgestellt am 20. März)

Hördatei: 

Gerhard Zielke

Beichte eines Versagers

Ich seh mich gehn durch weiche Räume,
mit schwarzen Kleidern angetan.
Drapierte Vorhänge wie Träume –
Ein Trugbild nur, ein eitler Wahn.
Weg, weg, du falsches Zwecksbekenntnis!
Wer hat sich hier zur Zeit bekannt?
Mit festem Mut der Selbstverbrennung
zertrümmern wir der Dogmen Wand.
Man muss sich endlich mal entscheiden,
es findet sich ein Ausweg einst.
Willst du denn immer Schwächling bleiben
im wilden Treiben unsres Seins?
Wie lange wird das Volk gegängelt,
wie lange ist’s schon angepflockt?
Wie lange ist’s in seiner Enge
der allererste Sündenbock?
Doch nicht mit Blei zerstört man Wände
und nicht mit blödem Marktgeschrei.
Das schwere Kreuz in schwachen Händen –
so gehen wir durch dichte Reih’n.

In fremdem Lande leben wir,
in fremdem Lande sterben wir.
Und keiner will uns etwas gönnen.
Und fremde Lieder singen wir,
und fremden Kummer leiden wir …
die fremden Schmerzen brennen.

1980

 Gerhard Zielke, geb. 1940 in Nowoskatowka, Gebiet Omsk, Sibirien, in der Familie des Dorfschullehrers und Dichters Alexander Zielke. Er beendete eine Berufsschule und arbeitete eine Zeitlang im Binnenhafen als Schiffer. Später Bauarbeiter und Hochspannungs-elektriker in Omsk.
Seit 1987 in Deutschland. Er lebt zurzeit in Kassel. Schreibt Gedichte und Kurzgeschichten in deutscher und russischer Sprache.
Edition: „Wanderwege. Gedichte (in Russisch und Deutsch), Reminiszenzen, Überlegungen“, Selbstverlag, 2007.

aus

 Literaturblätter deutscher Autoren
aus Russland
Almanach 2009-2010
Herausgegeben vom
Literaturkreis der Deutschen aus Russland e. V.

Geest-Verlag 2009