Jana Ruder - Flias (Jugendliche melden sich zu Wort am 4. März)
Hördatei:
FLIAS
Jana Ruder
„Hey Schatz, wo warst du denn?“
„Keine Ahnung! Der Postbote fand mich heute Mor¬gen schlafend hinter der Mülltonne!“ Melanie sah sich ihren Flias von Schuh bis Krawatte an und ent¬schied sich dafür, seinen Anzug wegzuwerfen, da von ihm ein unangenehmer Duft zu entweichen ver¬suchte.
„Schatz, du weißt hoffentlich, dass wir heute auf eine Hochzeit müssen. Gott sei gedankt, dass deine Mutter mir deinen besten Smoking anvertraute, da ich sonst nicht wüsste, wie wir dich bis zu der Trau¬ung wieder attraktiv machen könnten.“ Melanie legte sich aufs Bett und schlug sich die Hände vors Gesicht.
„Schätzchen, mein kleiner Schnuckie. Ich wäre ohne dich verloren!“
„Ohne den Postboten wärst du sogar schon früher in der Gosse gelandet, und ohne deine Mutter wärst du wahrscheinlich nackt auf der Hochzeit erschie¬nen. Ach herrje! Die Hochzeit!“ Die Ehefrau stand plötzlich auf, schob ihren Mann vor den Kleider¬schrank und holte eine Aspirintablette aus ihrem Kleid. „Hier, nimm das und werde wieder vernünftig. Ich möchte keinen Affen neben mir auf dem Hoch¬zeitsfoto sehen! Meine Freundin würde mir das abgelichtete Malheur ständig aufs Handy senden!“
Sie steckte ihm die Tablette in den Mund und ging ins Badezimmer. Flias Fastenstock, so war sein vol¬ler Name, konnte nur mit viel Mühe die Pille he¬runterwürgen.
Nachdem beide Partner losgehbereit waren, ging es noch um ein wichtiges Thema: „Wer heiratet über¬haupt?“
Flias fragte sich dies schon die ganze Woche. Ver¬mutlich löschte der Alkohol andauernd seine Erin¬nerungsfetzen. „Hast nicht du die Einladung aus dem Briefkasten geholt?“ Flias schaute seine Frau an, die schon im Wagen saß.
„Schatz, du weißt doch, dass du sie mir zeigtest und dann in den Kamin warfst. Ich konnte gerade noch ‚Einladung zur Hochzeit’ entziffern!“
Die Fastenstocks saßen schließlich total verdutzt im Auto, komplett angezogen, geschminkt und bereit, sich die Birne auf der Hochzeit anzuheizen.
„Warte mal, Melanie! Ich glaube, der Peter von ne¬benan heiratet heute.“ Melanie blickte zu dem mit Zelten und Buffettischen zugestellten Nachbarsgar¬ten.
„Ach ja! Peter hatte mich gestern angerufen, aber da du wieder einmal nicht zu Hause warst, war ich eher damit beschäftigt, dich ausfindig zu machen, als mir das Telefonat zu merken!“
Der entfachte Streit im Auto nahm seinen Lauf und die Hochzeitsgäste erfreuten sich an dem amüsan¬ten Spektakel. Ein Geschenk, welches sich das Hochzeitspaar nie erträumt hätte.