Johanna Bendl - Das geheimnisvolle Märchenland (Kinder und Jugendliche melden sich zu Wort am 17. Oktober)

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Das geheimnisvolle Märchenland

Es war einmal ein junges Mädchen namens Julia, das glücklich mit anderen Märchenfiguren im Mär-chenland lebte. Von der Märchenhaftigkeit ihrer Welt wusste sie allerdings nichts. Für sie war ihre Welt einfach ihre Welt. Eines Tages hatte Julia Lan-geweile und entdeckte in dem Haus ihrer Großmut-ter ein altes, verstaubtes, ledernes Buch. Sie wisch-te den Staub ab und konnte nun die Inschrift ent-ziffern. In geschlungenen Buchstaben stand dort: ‚Das Ruhrgebiet, das geheimnisvolle Märchenland’. Davon hatte sie noch nie gehört. Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wo es lag und wie es dort aussah.
Neugierig schlug Julia die erste Seite auf und sah eine Landkarte. Diese war mit schwarzer Tinte von Hand gezeichnet. Sie strich über die Beschriftung, und plötzlich verschwamm ihre Umwelt. Für eine kurze Zeit wurde alles um sie herum schwarz, und als sie die Augen wieder aufschlug, befand sie sich nicht mehr in dem verbauten Haus ihrer Großmut-ter. Das, was sie jetzt sah, hatte sie noch nie gese-hen. Julia stand vor einem breiten Fluss, auf dem große Schiffe fuhren. Am Ufer standen hohe Bäume dicht nebeneinander, und überall waren Menschen zu sehen.
Plötzlich wurde Julia von hinten angestoßen. Als sie sich umdrehte, blickte sie in die Augen eines Jun-gen. Er lächelte sie freundlich an und fragte sie nach ihrem Namen. Überrascht begrüßte sie ihn und stellte sich ihm vor. Darauf entgegnete er: „Hallo, Julia! Ich bin Marc. Ich glaube, du bist neu hier, oder? Vielleicht kann ich dir ein bisschen vom Ruhrgebiet zeigen! Einverstanden?“ Julia nickte, verschwieg ihm aber, dass sie aus einer anderen Welt kam, aus der realen Welt.
So zogen die beiden los, und Marc zeigte Julia die besten Plätze der Gegend. Als erstes gingen sie zu einer alten Zeche, und Marc erklärte ihr die Ge-schichte der Kohleförderung und die große Bedeu-tung der Zechen im Ruhrgebiet. Danach machten die beiden am Ufer der Ruhr einen kleinen Spazier-gang und eine Tour mit einem Boot. Julia war total aufgeregt. Alles war so neu, so anders in dieser Welt. Ihr gefiel der lustige Dialekt der Menschen, die dort lebten, und ihr gefiel die Lebensart. Sie kannte nur die kleine gemütliche Stadt in ihrer Welt, in der sie, seit sie denken konnte, lebte. Dort war es nicht so hektisch, ja, es war manchmal so-gar langweilig. Aber im Ruhrgebiet gab es viel zu sehen, und hier lebten so viele Menschen. Sie war begeistert.
Marcs Familie veranstaltete an diesem Abend eine kleine Party in ihrem Schrebergarten. Nach einer Weile ging Julia in die kleine Hütte, die zu diesem Garten gehörte. Als sie sich dort umsah, entdeckte sie ein dickes Buch, das den Titel ‚Reise in das Land der Märchen’ trug. In dem Moment trat Marc ein, und Julia fragte ihn: „Was ist das für ein Buch? Ihr seid doch schon in der Märchenwelt!“
Marc guckte kurze Zeit etwas überrascht, aber dann lachte er: „Ich hatte schon von Anfang an das Gefühl, dass du nicht von dieser Welt bist und dass du nicht weißt, wo du bist.“ Darauf erklärte Julia ihm, wie sie in diese Welt gekommen war. Aber Marc glaubte es ihr nicht so richtig. Das Ruhrgebiet sollte eine Märchenwelt sein? Verunsichernd war es, und doch klang es irgendwie überzeugend, wie Julia es erzählte. Ob es nun die reale oder die Mär-chenwelt war, in der sie gerade waren, wussten sie beide nicht.
Julia schlug die erste Seite des Märchenbuches auf und sah dort eine vertraute Landkarte. Sie konnte dort den Namen der Stadt lesen, in der sie wohnte. Marc kam nun näher heran und strich über die Kar-te. Auf einmal sahen die beiden die Hütte nur noch verschwommen, und es wurde schwarz um sie her-um. Plötzlich standen sie beide in dem Wohnzim-mer von Julias Großmutter. „Glaubst du mir jetzt?“, fragte sie Marc spöttisch. Dieser nickte stumm. Wirklich wohl fühlte er sich nicht in dieser Welt, und es war noch ein wenig verwirrend. Aber nachdem Julia ihm versichert hatte, dass sie wisse, wie er in die andere Welt zurückkäme, war er beruhigter. Dann packte ihn die Neugier.
Julia zeigte Marc die Lieblingsplätze in ihrer Welt. Zuerst gingen die beiden zu dem alten Fachwerk-haus, in dem eine Hexe wohnte. Danach gingen sie zu der kleinen Lichtung im Wald mit dem Bach, wo sie eine Rast und ein Picknick machten. Und zu gu-ter Letzt: das prachtvolle Schloss des Prinzen und seiner Gemahlin mit dem weitläufigen und gepfleg-ten Park. Außerdem trafen sie noch die sieben Zwerge und unterhielten sich mit ihnen, Marc gefiel diese Welt. Sie war so friedlich, sie war einfach märchenhaft.
Als sich der Tag dem Ende zuneigte, musste Marc wieder zurück. Die beiden versprachen sich gegen-seitig, dass sie einander wieder besuchen würden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Aber in welcher Welt?

Johanna Bendl ( 14 Jahre )

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