Jonas Podlecki - Another Story of a Zivi (kinder und Jugendliche melden sich zu Wort am 9. August)
Hördatei:
Another Story of a Zivi
Jonas Podlecki
Ich weiß nicht, was alle von sich denken. Der eine meckert über dies, der andere über das, aber sich über das glücklich schätzen, was man hat, dazu sind sie zu feige.
Wir sitzen in der Mittagspause an einem Tisch in der Krankenhauskantine und erzählen über den bisherigen Tagesverlauf. Der eine erzählt über einen Patienten, der gestunken hat bis zum Himmel, der sich seit Tagen nicht mehr gewaschen hat und sich dabei auch nicht von den Schwestern oder Pflegern helfen lässt.
Er ist einfach zu stolz.
Allerdings ist dies die falsche Art von Stolz, die Version, die weder das Selbstwertgefühl noch das Ansehen oder den Re-spekt durch andere Personen steigert. Leider sind diese Menschen zu dickköpfig, um es zu verstehen.
Der andere erzählt bereits zum dritten Mal in dieser Woche, wie ihn die Schwestern schikanieren. Sie schicken ihn quer durch das gesamte Krankenhaus um Unterlagen, Befunde und Papiere von Patienten zu Ärzten zu bringen.
Er muss diese Zettel verteilen und das kotzt ihn an.
Aber was ist daran so schlimm? Wenn er keinen Bock hat, dann soll er das Ganze doch hinschmeißen, nach Hause ge-hen und abwarten, bis ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Dass er danach erst recht gefickt wird, ist ihm schon klar.
Deswegen lässt er diese Tortur über sich ergehen.
Dass sie allerdings ihre Leute, ihre Mitarbeiter, im Stich las-sen, wenn sie ihre ganzen Tätigkeiten hinschmeißen und auf alles scheißen, was nur im erdenklichen Sinne mit Zivildienst zu tun hat, das geht ihnen am Arsch vorbei.
„Ich bin eine billige Arbeitskraft für die, mehr nicht!“, sagt einer der beiden mit verbittertem Unterton, aber dass man von ihm abhängig ist, dass einige ihn nicht ausnutzen, sondern auf seine Hilfe angewiesen sind, dass die Patienten ihn brauchen, dass das Krankenhaus ihn braucht, selbst wenn er von der ei-nen oder anderen Seite ausgenutzt wird, das wird ihm einfach nicht bewusst.
Das steigt einfach nicht in seinen Kopf.
Ich sage: „Weißt du was, mein Junge?“
Und ich füge noch lauter hinzu: „Bevor ich meine Mitarbeiter im Stich lasse, hau ich dir erst mal mein Mittagessen in die Fresse.“
Also richte ich mich von meinem Stuhl auf, nehme mein Tab-lett in die Hand, auf dem sich eine Cola Light, Fruchtquark und Reis mit Geschnetzeltem befindet, und schmeiß es ihm direkt in seine dreckige Visage.
Mehr brauche ich nicht zu agen – nur, dass ich niemanden im Stich lassen werde.