Tanja Lücker - Einmal werde ich die Böse sein (Jugendliche melden sich zu Wort am 16. Februar)

Hördatei: 

Einmal werde ich eine Böse sein!

Tanja Lücker

 

Und auf einmal gibt es nur noch zwei Menschen in diesem Abteil. Ihn
und mich. Mein Kopf platzt fast vor Wut, meine Faust droht seinen
Schädel ein­zuschlagen. Das Schlimmste an der ganzen Sache ist, dass er
das nicht nur mit mir so macht, sondern auch mit anderen, anderen, die
ich auch noch kenne, die zum Teil sogar meine Freunde sind! Wie kann er
nur! Erst ich und dann auch noch sie! Dabei sieht er schon aus wie
einer von diesen „Hauptsache, sie bekommen genug davon, und wenn es
nicht reicht, nimmt man halt noch jemand anderes“, ganz egal, wie die
Umstände sind. Es ist immer dasselbe mit ihnen, man könnte sie zu einem
extra Klischee zusammenfassen: Schaffner!

Nur weil man am Anfang des Monats nicht daran denkt, sich eine neue
Bahnkarte zu kaufen bezie­hungsweise einem gar nicht aufgefallen ist,
dass ein neuer Monat begonnen hat, muss dieser Mistkerl ja nicht gleich
so einen gewaltigen Aufstand machen! Als führe man täglich schwarz!
Dann soll er sich mal umdrehen und gucken, welche Horde sich ganz rein
zufällig erst jetzt, während der schon sehr lange andauernden Fahrt,
dazu durchgerungen hat, sich so ein verdammtes Ticket zu kaufen! Und
dann diese Verständnislosigkeit! Es kann einem ja wohl mal bei allem
Stress entgehen, dass Monatsanfang ist. Er sieht ja wohl, dass ich
Monatskarten von sämtlichen vorherigen Monaten dabei habe, warum sollte
ich ausgerechnet diesen verdammten Monat keine kaufen! Wenn ich dieses
egoistische, auf Geld fixierte und zu allem Überfluss auch noch extrem
hässliche Gesicht so früh am Morgen einmal wiedersehen werde, werde ich
mich bestimmt nicht beherrschen können und seine ekelhaft triefende
Nase heile lassen! Ich werde schreien, beißen, kratzen und kneifen!
Nachdem ich ihn dann restlos auseinandergenommen haben wer­de, wird es
mit dem kleinen Rechner in seiner Hand weitergehen. Ich meine, wir
wollen die Aufzeich­nungen der mie­sen kleinen Kamera, die sich in dem
Ding befindet, ja nicht bestehen lassen ... man muss ja Beweise
vernichten! Ich denke, es wird bestimmt noch Wut in mir sein, um meinen
Fuß dazu zu bringen, zufällig auf das Ding einzutreten.

Naja, und wenn es mir dann wieder gut geht, werde ich mich entspannt
auf einen zerkratzten Sitz nie­derlassen und mich noch nicht mal mehr
ansatz­weise dazu durchringen, mich zu entschuldigen oder es überhaupt
erst in Erwägung zu ziehen.

Buch: