Toni Krabiell - Alles fühlte sich unwirklich an (Jugendliche melden sich zu Wort)
Hördatei:
ALLES FÜHLTE SICH UNWIRKLICH AN
Für ihn war nicht erkennbar, ob ich fror oder ob mir heiß war. Ich war gefangen von einem Zittern, das meinen ganzen Körper erfasste. Zugleich aber war das T-Shirt, welches ich trug, von feuchten, ineinander übergehenden Flecken übersät, und in meinem Gesicht glitzerten Perlen, die Tränen oder Schweiß hätten sein können. Da stellte ich mir selbst die Frage, ob es jetzt Winter oder Sommer war, Tag oder Nacht. Kein Gefühl für Raum und Zeit mehr besitzend, wurde mir bewusst, dass ich gefangen war, gefangen in etwas, das ich mir selbst nicht erklären konnte. Gefangen in etwas, das mich festhielt, zu fest.
Die Kraft aus der plötzlichen Hoffnung entnommen, heute alles ändern zu können, es schaffen zu können, mich aus dieser Gefangenschaft zu befreien, erhob ich mich. Alles fühlte sich unwirklich an, ich selbst fühlte mich unwirklich wie in einem Traum.
So stand ich eine Weile da, bis ich es nicht mehr aushielt. Ich wusste nicht, was es war, aber ich dachte auch nicht darüber nach, es kam einfach aus mir heraus. Dieser Er beobachtete mich, wie ich um mich schlug und die Mappe mit all meinen in der letzten Zeit niedergeschriebenen Notizen zerriss. Nachdem ich erst den Stuhl und dann den kleinen Schreibtisch gegen die Wand geschleudert hatte, verschwand er, und ich sank kraftlos zu Boden. Keine Träne mehr in mir, nur noch Leere.
Und vor meinen Blick legte sich wieder dieser graue Schleier, der mich davonträgt … Nicht in eine andere Welt. In ein „Nichts“.
Toni Krabiell (17 Jahre)