Märkert, Peter: Revolte in der Kastanienallee
Autor:
Märkert, Peter
Revolte in der Kastanienallee
ISBN 3-936389-64-0
10,00 €
Ein Buch, das mit einfühlsamer Sprache geschrieben, eine wunderbare Mischung aus Jugend- und Erwachsenenbuch darstellt.
Unfall in der Kastanienallee. Das Mädchen aus dem Auto fühlt mit dem verletzten Baum, entdeckt mit ihm eine gemeinsame Sprache. Sie schließen Freundschaft und das Mädchen erzählt aus ihrer Welt, von Eltern, Schule, Ferien, von Freundinnen, eigenen Träumen und der Baum aus seinem Leben, von der Grünen Wiese, wo alle Seelen auf ihre Geburt warten, von mächtigen Teufeln, die Menschen verführten, sich von der Grünen Wiese loszusagen, andere Wesen auf der Erde zu Untertanen zu erklären und für eigene Zwecke zu missbrauchen, von dem Hohen Rat der Natur, der plant, nach langen Jahren des Schweigens zurückzuschlagen. Schon reiben sich die Teufel die Hände, scheint ihr Werk zu gelingen, Krieg zwischen Mensch und Natur, da werden sie auf die ungewöhnliche Freundschaft in der Kastanienallee aufmerksam. Das Buch fesselt von der ersten bis zur letzten Seite. Die Wechsel zwischen Fiktion und Realität halten den Leser in Spannung. Ein dramaturgisches und auch sprachliches Meisterwerk eines noch jungen Autoren, das mehr als Anerkennung verdient.
Ideal auch für den Schulunterricht und die Diskussion im Bereich Werte und Normen, Ökologie. Nicht weniger spanend die private Lektüre für den Jugendlichen und Erwachsenen.
Leseprobe:
Sturz
Ein Taxi überholte die Mädchen auf ihrem Heimweg in Höhe eines Villenviertels, bremste und hielt in Sichtweite. Ein Herr in elegantem Anzug und mit Aktentasche unterm Arm kam aus der hinteren linken Fahrzeugtür, eilte um den Wagen, öffnete die rechte Tür, half einer Dame in langem Kleid beim Ausstieg. Ein heftiger Windstoß erhob sich bei eigentlich ruhiger Witterung, trieb die Herrschaften zur anderen Straßenseite, direkt auf eine Baustelle zu vor dem Eingang zum Stadtpark. Dort ragte die Wurzel einer alten Platane eigentümlich in die Höhe. Das Paar stolperte, suchte vergeblich Halt und stürzte in die Ausgrabung der Baustelle. All das geschah so schnell, dass der Taxifahrer sich verwundert die Augen rieb. Im matten Licht der Straßenlaterne hatte er die Fahrgäste mit den Augen verfolgt, sich gewundert, mit welcher Eile sie den Wagen verließen, hin zum Park schwebten.
In der Festkleidung? Mit dem teuren Aktenkoffer? Er hätte schwören können, sie bewohnten die herrschaftliche Villa, gerade dort, wo er parkte. Nur eine Sekunde war er abgelenkt, hatte seine Geldbörse eingesteckt. Das reichte.
Sie hatten sich aufgelöst. Visionen? Müdigkeit? Er stieg aus, sah sich nach allen Seiten um, vernahm Hilfeschreie aus der Baugrube auf der anderen Straßenseite, sah Kinder, die ihre Fahrräder fallen ließen, dorthin stürmten, lief hinterher und erblickte das augenscheinlich unverletzte, doch furchtbar aufgeregte Paar. Jenna erkannte den lehmbesudelten Herrn in der Grube, der nach oben blickte mit tiefen Falten auf der Stirn und rief ihren Freundinnen zu:
„Dr. Wichtig! Sein Bild war in der Zeitung. Der Bürgermeister! Der von dem Wettlauf sprach. Ich hab euch davon erzählt...“ Die Mädchen schauten in die Grube. Die Dame streifte ihr langes Kleid hoch und begann, auf allen Vieren empor zu krabbeln. Er folgte ihr sichtlich angewidert von dem Schlamm und wollte seine Aktentasche mit einem Ruck in die Hand des Taxifahrers schwingen, der sie ihm hilfreich entgegenstreckte, doch sie verfehlte ihr Ziel, er glitt mit dem hinteren Bein aus, versuchte sich an seiner Begleiterin festzuhalten, vergeblich, beide rutschten in die Grube zurück.
Seine Begleiterin schrie auf und schlug nach ihm. Lehm spritzte. Er wehrte den Angriff ab, deutete auf die Ledertasche, die im Schlamm lag und schrie hinauf:
„Das haben sie gemacht! Wissen sie, was sie angerichtet haben? Das sind Unterlagen für die Autobahn! Wenn die Schaden nehmen, mache ich sie haftbar, verklage sie vor Gericht.“ Er verstummte, musterte den Taxifahrer, der wie angewurzelt dastand, rief: „Oder sind sie von der Initiative... gegen die Autobahn? Und haben mit Absicht hier gehalten?“ Sie kreischte:
„Ein Attentat, Willi!“ Der Fahrer bekam Angst:
„Nein, nein, ich hatte keine Ahnung, interessiere mich nicht für Politik.
Ist mir unerklärlich, wie das passieren konnte.“
„Aber das Kleid, das bezahlen sie... und seinen Anzug.“ Sie deutete auf Dr.
Wichtig: „Wissen sie überhaupt, was das kostet?“ Der Fahrer stand vernichtet da, nahm gerade noch wahr, wie die Kinder an ihm rüttelten, auf sein Taxi deuteten, das verlassen auf der anderen Straßenseite parkte. Die Fahrertür stand auf. Mit den Augen maß er die Entfernung, begann an seiner Verantwortung zu zweifeln und beugte sich über die Grube:
„Ja, was reden sie da? Was soll das? Ich habe doch nicht an dieser Baustelle gehalten. Das Taxi steht dort drüben! Die Tür steht ja noch auf. Sie hatten es so eilig, hierher zu kommen. Sind ja gelaufen, richtig geschwebt, als wollten sie sich da hineinstürzen. Und ich soll schuld sein, wohl betrunken! Ha, Bürgermeister sind sie? Da sollten sie Bodenkontakt haben!“ Die Mädchen klatschten Beifall und verließen den Ort, sahen noch zwei Lehmgestalten aus dem Erdloch kriechen