Über das Schreiben von Poesie von Philipp Létranger - Lesebericht zur Anthologie "Schattenfarben fangen"
Über das Schreiben von Poesie
von Philipp Létranger
Lesebericht zur Anthologie "Schattenfarben fangen"
Ist es möglich, zu schreiben, ohne darüber nachzudenken, was man da tut und wie? Von mir kann ich sagen, dass ich es kann, aber nie lange. Deshalb war es so spannend für mich, dieses Buch zu lesen.
Die ungeheure Vielfalt der poetischen Erscheinungsformen legt nahe, dass es auch sehr unterschiedliche Arten gibt, über das Schreiben von Poesie nachzudenken und diesen Prozess zu beschreiben. Und das ist auch genau das, was sich hier zeigt.
Erschienen ist das Gemeinschaftswerk im Jahr 2025 im Geest-Verlag. Sieben Autor*Innen beschreiben darin ihre unterschiedlichen Ansätze, poetisch zu schreiben, und sie tun das – niemand wirds wundern – auf völlig unterschiedliche Weise.
Ich kann hier nur versuchen, Schlaglichter auf interessante Textpassagen zu werfen, einen Eindruck von der Vielfältigkeit und Vielgestaltigkeit der Texte zu vermitteln, neugierig zu machen auf mehr:
Für Hans-Hermann Mahnken ist der Vorgang des Dichtens das Entdecken von Wirklichkeit. Das Gedicht gibt nicht wieder, es gestaltet. Und es ist der Versuch, etwas auszudrücken, das wir nur erspüren können, das unerfindlich ist und sich der Verfügbarkeit entzieht.
Holger Küls besinnt sich darauf, einen neuen Aspekt, eine neue Eigenart, einen neuen Blickwinkel auf das alltägliche Erleben zu gewinnen, ins Nachdenken zu kommen oder ins Neudenken.
Artur Nickel hebt hervor, wie wichtig es ist, Klischees hinter sich zu lassen. "Ich nehme ein Vergrößerungsglas, eine Lupe, und schaue hinein. wieder und wieder."
Frank Maria Fischer beschreibt es sehr poetisch.
Thomas Bartsch ringt um jedes Wort, bis es sich einreiht in einen Tanz der Melancholie und Leichtigkeit, im Einklang mit sich selbst und jedem Widerstreit.
Rieke Siemon spürt – so fasse ich es frei zusammen – den Farben der Worte nach, der Frage, wie sie aufeinander wirken (abfärben), wie man sie voneinander lösen und neu zusammenstellen kann, bis sich ein neues stimmiges Bild ergibt.
Sigune Schnabel sammelt Wörter und interessiert sich für ihre Geschichte. Sie befreit sie aus ihrem Kontext, reißt sie aus ihren Sätzen, damit sie endlich losgelöst sind und sich nach eigenem Gutdünken entfalten können.
Ich will mich an dieser Stelle gleich dafür entschuldigen, wie frech und frei ich in den vorangegangenen Kurztexten mit ihren Worten umgegangen bin. Ich hoffe nur, sie verzeihen mir das.
Was soll ich noch über dieses herausfordernde Buch sagen. Ich finde es unbedingt lesenswert und glaube, dass es für jeden Lyriker wichtig sein kann, sich damit zu beschäftigen, und wenn es nur ist, um sagen zu können, bei mir ist es anders.
Ach was ich noch sagen wollte. Es ist auch ein Genuss, es zu lesen.