Amanda Wurm - Gefangen an der kalten Grenze

Amanda Wurm
Gefangen an der kalten Grenze

Mein Traum, nur mein Traum, der nicht mein Traum ist, da ich ihn nicht erfüllen kann. Nicht so.
Ich möchte von etwas überwältigt werden, so sehr. Ich möchte fasziniert werden und mit offenem Mund stehen bleiben. Ich möchte mich nicht losreißen können vor Erstaunen.
Wie ein Sonnenuntergang, der sich in einem tiefen Orange über den ganzen Himmel zieht und sich in den Wolken widerspiegelt, tausende von warm leuchtenden Lampen neben mir und über mir in Lampions oder Laternen, nichts anderes ist zu sehen, alles hell erleuchtet, meine Knie in glitzernden, knarzenden Schnee herausragen lassen und vor mir einen riesigen Berg in der Dämmerung hochragend stehen sehen, der halb mit Schnee bedeckt ist; ich will es so sehr, damit ich weinen kann, weinen wie ein Bach, der einfach fließt; ich möchte mich über-fordert fühlen, so sehr, wie das Gefühl zu fallen, ich möchte mich fallen lassen kön-nen, wie ein Stein, aber mich geborgen in der Faszination fühlen, als ob sich eine große, warme Blume um mich schließt; ich möchte in der Dunkelheit liegen, wie bei einer wolkenlosen Nacht im kühlen Gras; und allein sein, allein bei mir, aber mit Menschen, die nicht mit mir sprechen und mich sonst nicht beachten, sodass ich mich fühle, wie ein Baby im Bauch; ich möchte so klein werden wie eine Erbse und fest umschlossen werden;
und wenn ich wieder raus möchte, will ich rausgelassen werden, wie eine sich öffnende, weiße Blume.
Aber ich kann nicht raus, und erst recht nicht rein, denn ich sitze an der kalten Grenze fest. Wie lange noch, weiß ich nicht.


(aus einem in der Arbeit sich befindlichen Band der Schreibwerkstatt des Gymnasiums Antonianum Vechta mit Texten gegen rechts)