In Arbeit: Marianne Alteheld-Naß - Dieses provisorische Leben
Marianne Alteheld-Naß
‚Dieses provisorische Leben’
Der vorliegende Gedichtband ‚Dieses provisorische Leben’ enthält über einen längeren Zeitraum gesammelte Gedichte der Hattinger Autorin Adelheid Naß, die sich weit über ihren Wohnort Hattingen hinaus einen Namen als Lyrikerin gemacht hat.
Der Titel des Bandes geht auf ein 1999 verfasstes Gedicht der Autorin zurück, in dem sie die Ver¬änderbarkeit des Lebens – Leben als permanenter Prozess – (dieses provisorische Leben / immer muss nachgebessert werden) und die sich daraus ergebenden Veränderungsnotwendigkeit diagnostiziert (umschmieden / lebens-kunst).
Auf dieser Basis ist es ihr möglich, eine Vielzahl von Gedichten sehr unterschiedlichen Stils zu ver¬schiedensten Inhalten in dem Band zu versammeln, denn unterschiedliche Verfasstheiten und Lebens¬situationen verlangen aufgrund der von ihr diagnos¬tizierten Veränderbarkeit des Lebens auch divergierende literarische Reflexionen, oder wie sie es schreibt: beim Worte nehmen das Leben.
Konstant gültige Antworten oder auch Lebens- und Sichtweisen durch welche Form von Ismen auch immer erscheinen ihr dabei unmöglich, scheinen ‚solide Wertarbeit / verzementiert wie für Ewigkei¬ten. Daher gehören für sie eherne Weltbilder zerschlagen, mach Platz für neue Bilder / für Farbe Bewegung Leben.
Führt eine solche Haltung aber nicht in die Relativität von Werten, in den Verlust gesellschaft¬licher Konstanz? Die Problemstellung ist der Autorin durchaus bewusst – es stürzt der Fluss hinab ins Tal / reißt alles mit / wo ist er nun? – und sie bleibt auch die Antwort nicht schuldig. Der Sternenhimmel über mir / erweckt das Licht im Inneren mir.
Das Wiederfühlen zeitloser, natürlich Werte – smaragdene Schätze – führt zu einer Wieder¬belebung der Menschlichkeit, neues Grünzeug / wagt sich hervor / zwischen Steinen.
Veränderbarkeit und Entedeckungsfreude, Notwendigkeit der Formen des Lebens und Entdeckens als Voraussetzung zum Erkennen des individuellen Ichs, das in sich die Werte eines humanen Allgemeinichs trägt, prägen auch die formale und sprachliche Ebene des Buches. Vom Kurz- bis zum Langgedicht ist alles vertreten. Die Orientierung an einer originellen sprachschöpferischen Naturlyrik ist unübersehbar und konsequent, stellt doch die Natur die eigentliche Basis des menschlichen Humanismus für sie da.
Auch wenn ihre Gedichte von einer bedeutenden Tiefe sind, die Gedanken von einer außergewöhnlichten Verdichtung, so bleibt ihre Sprache von einer bewundernswerten schlichten Schönheit, die sie nicht durch zu abstrakte Bilder zerstört. Diese Gedichte finden Annahme im Hören und Fühlen, spiegeln sie doch eine Ästhetik des Humanen im Kleinen, im Alltag, in der erfühl- und erlebbaren Wirklichkeitsebene. Die Gewissheit des Humanen prägt, trotz der mannigfach von ihr dargestellten Verletztheit des Individuums einen Opitimismus aus, der den Leser/Hörer nicht aus seiner Verantwortung gegenüber dem humanen Prozess löst, ihm aber die Möglichkeit des Erreichens seines ‚Zuhauses’ ständig vermittelt.
Regionalbezogene Gedichte über Hattingen etc. spiegeln ihre dichterischen Intentionen in einer besonderen Tiefe.