Celine Kühn - Das Karussell
Celine Kühn
Das Karussell
Wie ein gefangener Wal, ich komme nicht weg. Mein tägli-ches Geschwimme im Kreis, mein Alltag, dem ich zu ent-kommen versuche. Wo ich weiß, es ist so viel mehr da draußen. Ich habe keinen Platz, um mich zu entfalten in meinem kleinen Käfig namens Leben. Seine Mauern bestehend aus Arbeit und Zwängen.
Ich versuche sie zu durchbrechen. Bei jedem Versuch kommen sie nur noch näher. Für die Freiheit muss ich noch hier-bleiben. Meine Freiheit verdienen, nur noch ein paar Kreise ziehen, nur noch ein bisschen Energie sammeln, dann schaff ich‘s.
Es ist die schönste Zeit, sagen sie. Das Beste aus allem machen, sagen sie. Stell dich nicht so an, sagen sie. Also bleibe ich in meinem Gehege, bleibe gehorsam. Bleibe ruhig und still. Merke, wie ich immer mehr starr werde, bewege mich eisern und leblos. Die Kraft geht mit der Zeit immer mehr verloren.
Zwischendurch kommt ein Pfleger und belustigt mich. In der Zeit kann ich abschalten. Denke, so schlimm ist es hier gar nicht, könnte hierbleiben. Bis der Pfleger mich wieder einmal verlässt. Wieder schwimme ich meine viel zu kleinen Kreise, weil ich wieder mal allein bin, wieder mal nur mit mir und meinen Gedanken, die einfach nicht verstummen wollen.
Sie drehen ebenfalls ihre Runden, Runden um die Freiheit, Runden um das Glücklichsein. Sie sollen verstummen, ich kann sie nicht mehr hören. Sie tränken meinen grauen Käfig in Dunkelheit und lassen die Wände näher rücken. Mein In-neres schreit, dass ich entkommen muss. Doch wie? Ich muss mich entscheiden: Alltag oder Ungewissheit? Die Zeit wird knapp, und doch weiß ich nicht, wie viel mir noch bleibt. Die Gedanken drehen sich wie in einem Karussell. Es dreht sich zu schnell, es kommt zu keinem Entschluss. Also drehe ich weiter meine Kreise, bis das Karussell zum Stehen kommt. Bis die, einst zu viele, Zeit vorbei ist …