Clara Dobbelstein - Caprice un poco ritardando (Sonett am Donnerstatg,25.5.)

Caprice un poco ritardando


Silhouetten flinker Fische wanden
Auf dem seichten Seegrund krumme Bahnen,
Ihre Leiber formten schnörkelnd Kreise
In dem grünen Wasser, still und leise.

Spinnen, Käfer, Mücken und Amöben
Zierten mich mit roter Schrift, als zögen
Ihre Träume tief in meine Haut,
Lang verstummte Stimmen wurden laut.

Ich schlafe lang in einer Wasserlache.
Die Welt wird Ornament und schöne Sprache,
Mit feuchten Zungen spricht sie ihre Verse,

Verworren, dunkel wie die Algenranken,
Die halb verborgen in der Tiefe schwanken:
Doch wer kann sich wohl einen Reim draus machen?

Clara Dobbelstein, geboren am 30.11.1999 in Marburg, studiert Medizin und schloss parallel dazu ein Germanistik- und Philosophiebachelorstudium in Würzburg ab. Regel¬mäßig verfasst sie Gedichte und Kurzprosa, oft inspiriert von Photographien. Vor zwei Jahren gründete sie den Würzburger Schreibtisch, eine Gruppe, die sich zur Diskussion kreativer Spracherzeugnisse trifft. Ab Herbst 2023 plant sie, ein Germanistikmasterstudium in Wien zu beginnen.