Das Arbeiterlied gestern und heute - von Kai Degenhardt - eine Rezension von Werner Lutz

Das Arbeiterlied gestern und heute

 

Kaum zu glauben: das Singen von Liedern der Arbeiterbewegung gehört seit kurzer Zeit zum immateriellen Kulturerbe der BRD. Zu verdanken haben wir diese Tatsache Bernd Köhler und Joachim Hetscher, die einen letztlich erfolgreichen Antrag an die deutsche Kultusministerkonferenz gestellt haben.

Für Kai Degenhardt war dies ein willkommener Anlass, sich nochmals intensiv mit der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und ihrem politischen Liedgut, das sie hervorbrachte, zu befassen.

Das jüngst erschienene Buch von Kai Degenhardt „Wessen Morgen ist der Morgen“ spannt mit großer Dichte einen historischen Bogen der Arbeiterbewegung von der Frühzeit bis zu Gegenwart. Und es stellt im Kontext zur Geschichte immer wieder einzelne Textbeispiele von Arbeiterliedern vor. Außerdem ihre Entstehung, ihre Verbreitung, sowie ihre sprachlichen und sozialen Wurzeln – von 1848 bis heute.

Das Buch wird ergänzt durch ein umfangreiches Quellenregister und Namensverzeichnis.

Natürlich ist dieses Buch weit mehr und als ein Lieder-Text-Buch, wie wir es etwa vom „Zupfgeigenhansel“ kennen, dem traditionell-historischen Liederbuch der Wandervogelbewegung.

Die Zeit fortschrittlicher Liedkkultur war noch Mitte bis Ende der siebziger Jahre stark geprägt von Songgruppen, politischen Liedermachern, linken Rockgruppen. Die Regierungszeit ab Beginn der Kohl-Ära 1983 hat mit der neoliberalen Wende sowohl in den Medien - wie auch im Kulturbereich ein viele Jahre lang vorherrschendes, konservatives Rollback losgetreten.

Dies zeigte sich unter anderem an dem erbitterten, jahrelangen Bürgerkrieg gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, an dem viele tausend Menschen in der Oberpfalz jede Woche an Platzbesetzungen und Demonstrationen teilgenommen hatten. Die Schlacht um die WAA (es gab dabei auch Todesopfer) ging am Ende dennoch nicht verloren. Die WAA wurde nicht gebaut. Damals gab es – wie vorher in Brokdorf – zwar keine klassischen Arbeiterlieder, aber eine neu entstandene fortschrittliche Liedkultur, sowie große Folk- und Rockkonzerte, die in Erinnerung bleiben.

Das klassische Arbeiterlied und auch neu entstandene Gewerkschaftsliedeer Mitte der Achtziger Jahre dagegen begleitete die langen und am Ende erfolgreichen Arbeiter- und Gewerkschaftskämpfe für den Kampf um die Arbeitszeitverkürzung und die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche im Druck - und Metallbereich – die eine harte Klassenauseinandersetzung vieler Jahren werden sollte.

2023 veröffentlichte Kai Degenhardt zeitgleich und passend zur jetzigen Bucherscheinung auch eine neue CD mit historischen Arbeiterliedern.

Das Buch kostet 16,90 Euro und ist im Buchhandel erhältlich.