Demokratie rast in die Sackgasse - Ein Leserbrief an die NOZ von Heiko Schulze

Nachfolgenden Leserbrief von Heiko Schulze, der gestern in der NOZ veröffentlicht wird, veröffentlichen wir gerne, denn er zeigt eine etwas andere Suchtweise auf die aktuelle Politik.

„Politikverdrossenheit hat einen feixenden Fan: das globale Finanzkapital. Die große Idee der Demokratie rast immer mehr in die Sackgasse vermeintlicher Sachzwänge. Wir selbst werden auf dieser Reise durch eine Bundeskanzlerin regiert, die von ‚marktkonformer Demokratie‘ spricht und ihre Schlussfolgerungen als ,alternativlos‘ bezeichnet. So wird es auf zynische Weise logisch, dass Abgeordnete, die den Kapitalismus infrage stellen, vom Verfassungsschutz erfasst werden. Da wird aus Unionsreihen – getreu der Parteitags-Losung ,Man spricht Deutsch in Europa‘ – allen Ernstes gefordert, mal so eben das demokratisch gewählte griechische Parlament zu entmachten und an dessen Stelle einen Staatskommissar von Merkels Gnaden zu ernennen. Nebenbei: Die letzte von Deutschen eingesetzte Regierung besaß Griechenland im Zweiten Weltkrieg. Verwundert uns da die breite griechische Empörung? Da werden im Süden der EU Löhne und Renten gekürzt, um dies, je heftiger, desto besser, als ,Reformprozess‘ zu loben. Zugleich grassiert ein scheinheiliges Erschrecken, wenn solche Volkswirtschaften in der Manier von Lemmingen mangels Kaufkraft kollabieren. Der Zug rast in voller Fahrt: Die ersten beiden europäischen Regierungen werden schon jetzt – jenseits allen Wählerwillens – von Technokraten aus der Finanzwelt präsentiert. Da bestimmen bankfinanzierte Ratingagenturen, welche nationale Volkswirtschaft noch überleben darf und welche auf dem Altar des Finanzmarktes  geopfert wird. Steuergelder, die den krisengeschüttelten Staaten zufließen, bleiben da nur kurz, um brühwarm auf die Bankkonten der Hochfinanz umgeleitet zu werden. Wie titelt der Bestseller des französischen Sozialisten und Widerstandskämpfers Stéphane Hessel? Empört euch!“

Heiko Schulze

Osnabrück