In der Abschlussarbeit: Wolfgang Buchhorn: Sprich zu mir, dass ich es hören kann
Buchhorn, Wolfgang
Sprich zu mir,
dass ich es hören kann
Gedichte über Abschiede, Trauer und neues Leben
Geest-Verlag 2011
Sich der eigenen antwort nähern
„Die Angst vor dem Sterben ist die Angst vor dem Leben“ heißt eine alte Lebensweisheit. Die hier vorlie¬genden Gedichte schöpfen aus einer weiteren Quelle: „Meditation heißt Sterben lernen, Sterben lernen heißt Loslassen lernen.“ Damit ist nicht nur materieller Besitz gemeint, sondern vor allem das Loslassen von festen Bildern, Erwartungen, gewohnten Antworten ..., die uns im Leben begleiteten, uns eine zeitlang Halt und Sicherheit gaben, später uns auch fesselten.
Wir können die Welt nur in Geschichten und Bildern wahrnehmen, doch vergessen wir, dass es Geschichten sind, keine Wahrheiten, die unerschütterbar feststehen. Leben ist permanente Veränderung und so brechen die festen Bilder und Vorstellungen immer wieder. Das macht uns unsicher und wir bekommen Angst. Jede Entscheidung für etwas ist gleichzeitig eine Entscheidung gegen tausend andere Möglichkeiten – von denen wir uns verabschieden müssen, um unbelasteter leben zu können.
Im endgültigen Abschied geliebter Menschen ist kein Trost möglich, wohl aber das Eingeständnis, das etwas Unbegreifliches, Unbegreifbares geschehen ist, dass den Verstand und das rationale Denken übersteigt. Die Kunst kann uns an die Hand nehmen und auf neue Räume in uns hinweisen, in denen Platz ist für Trauer, Schmerz, Wut und neuen Lebensmut.
Abschiedlich leben lernen, geschieht in kleinen alltäglich zu übenden Schritten. Schon bald merken wir dabei, dass es nicht nur Verlust, wie uns alte Bilder und Vorstellungen einreden, sondern auch einen Gewinn an Freiheit und an Lebensqualität bedeutet, weil wir wieder in Kontakt zur lebendigen Gegenwart kommen. Leben mit allen Gefühlen und Gedanken geschieht immer im vergänglichen Jetzt.
Wenn die kleinen Abschiede immer mehr glücken, dann verliert auch der große Abschied am Ende seinen Schrecken, ohne geschönt werden zu müssen.
Wie bei einem Koan geht es in den Gedichten darum, die eingefahrenen Bahnen des diskursiven Denkens zu verlassen und sich der eigenen Antwort zu nähern, sie zu erfahren, die keine nur rationale ist: Wer bin ich? Wer bin ich angesichts des Loslassens, angesichts des Abschieds; wer bin ich angesichts des Todes? Wer will ich sein angesichts des unabweislichen Sterben-Müssens?
Ich lade die Leser und Leserinnen zum Verweilen und inneren Lauschen ein und wünsche mir, dass sie sich von den Gedichten oder Teilen von ihnen ansprechen lassen und in ihrer Antwort selber zur Sprache kommen.