In der Arbeit: Marlies Winkelheide - Verschlungenes
Marlies Winkelheide
Verschlungenes
Das Normale im Außergwöhnlichen
und das Besondere im Normalen
Über die Arbeit mit Geschwistern
von Menschen mit Behinderung
Geest-Verlag 2011
Aus dem Kapitel: Geschützte Räuzme
Dieser Frage gehen viele Menschen in ihrem Leben nach, oft sind sie ein Leben lang auf der Suche nach Antworten. Dabei geht es nicht darum, sich in Frage zu stellen, sondern nach Zusammenhängen zu suchen zwischen Reaktionen, Verhaltensweisen, Entwicklungen im eigenen Leben. Die Pädagogik spricht von Prä-gungen durch Erziehung, Begegnungen mit Menschen, Erlebnisse und Erfahrungen.
Auch Geschwister von Menschen mit Behinderung stellen sich diesen Fragen.
Sie fragen sich zum Beispiel, warum sie an sich so hohe Ansprüche stellen, meinen, so viel leisten zu müssen. Findet sich eine Ursache im Zusammenhang mit ihrer besonderen Lebensgeschichte, weil sie diesen An-spruch an sich gestellt haben – oder er auch an sie ge-stellt wurde –, doppelt so viel zu leisten, weil der behinderte Bruder, die behinderte Schwester diese speziellen Leistungen nicht erbringen konnte.
Geschwister von Menschen mit Behinderung wissen, dass sie mit Diskriminierungen ganz schlecht umgehen können. Wie können sie sich wehren? Müssen sie sich immer für andere einsetzen?
Eine junge erwachsene Schwester fragte: „Ist das nie vorbei? Ich fühle mich immer mit verantwortlich für andere.“
Manche, die oft verzichten mussten oder wollten in ihrem Leben, setzen dieses Verhalten weiter fort. Andere beschließen, nicht mehr oder nicht mehr so viel verzichten zu wollen.
Die Reaktionen auf Erlebnisse, die eigenen ‚Beschlüsse’ sind individuell zu sehen und haben eine große Bandbreite an Möglichkeiten.