Der Roman um die Jugendlichen in der Nazizeit in Brake schreitet in seiner Fertigstellung voran

 

 

Der Roman um das Mädchen Esther und ihr Schicksal in den Jahren 1933 bis 1945 in der Stadt Brake in der Wesermarsch schreitet voran. Inzwischen sind etwa 120 Seiten des Werks bereits fertig. Auf der Basis des Schreibens der Jugendlichen aus dem Gymnasium Brake und der Pestalozzischule wird hier im Verlag der Roman entwickelt. Die Rollen müssen aneinanderangepasst werden (immerhin spielen 14 Hauptfiguren mit jeweiligen persönlichen Hintergründen mit), die Perspektiven vereinheitlicht werden etc.

Große Hilfe bei der Darstellung des Geschehens sind auch die Zeitzeugengespräche, die uns manch Hintergrund noch einmal erklärten. Dennoch wird der Roman keine Dokumentation, ist vielmehr fiktionales Schreiben. So gibt es zum besispiel die von den SchülerInnen erfundene Figur der Hildegard, die auf einer Kuh durch Brake reitet.

Hier eine Passage:

In einem verklinkerten Häuschen in der Lange Straße sitzt Karla mit ihren Eltern beim Abendessen. Karla rutscht unruhig auf ihrem Stuhl herum. Sie ist mit Franz zu einem heimlichen Abendspaziergang verabredet. Heute will sie ihm endlich von der Schwanger-schaft erzählen. ‚Wie er es auffassen wird?‘
 „Karla, kannst du nicht fünf Minuten stillsitzen? Du machst einen ja ganz nervös“
Karla’s Mutter kann schlechte Tischmanieren nicht leiden, ein anständiges Mädchen hat ruhig zu sitzen und mit kleinen Bissen ihre Mahlzeit zu sich zu nehmen, davon ist sie überzeugt.
„Hast du das von dem Huber Mädchen gehört?“, unterbricht ihr Vater die Mutter, den schlechte Tischmanieren unberührt lassen.
„Das Mädchen hier aus der Straße?“
Sie reden von Rosemarie Huber. Sie ist drei Jahre älter als Karla, wohnt vier Häuser weiter und im Ort ist man sich einig, dass sie nicht ganz ‚sauber‘ ist.
„Die haben sie nach Wehnen gebracht“
Karla’s Mutter sagt nichts mehr, sticht mit der Gabel ihr Salatblatt auf. Ihr Vater weiß aber noch mehr zu berichten.
„Bei der soll ja auch was unterwegs gewesen sein.“

„Was unterwegs?“, fragt Karla und wird gleich von ihrer Mutter an das anständige deutsche Mädchen erinnert, dass bei Tisch den Mund zu halten hat.
„Auf das Mädchen hätte Frau Huber mal besser ein Auge haben sollen ... Nimmt sie jetzt das Kind?“
„Wenn sie es ihr überhaupt lassen …“
Karla kriegt keinen Bissen mehr herunter.
„Wieso, wieso sollte man es ihr wegnehmen?“
„Karla, wenn die Mutter schon nicht richtig ist, dann kann das Kind auch krank sein.“
„Ja, und deswegen haben die Partei nun ein Gesetz gemacht, das solche Mädchen und auch Männer sterilisiert werden. Denn das kostet dem Staat ja später viel Geld, solche Blöden durchzufüttern“, erklärt der Vater.
Karla erinnert sich an die Matheaufgabe in der Schule, die sie rechnen musste, was so eine Behinderte kostet, was drei und dreißig Behinderte kosten und wie viele Panzer man dafür bereits nach wenigen Jahren kaufen kann.
„Und was machen sie dann mit dem Kind?“
Ihre Mutter zögert einen Moment, gießt ihnen Tee nach. „Sicherlich kommt es in irgendein Erziehungsheim, wer weiß … Iss jetzt etwas! Du siehst so blass aus!“
Der Vater räuspert sich, erzählt etwas von der Arbeit in der Tierhandlung.