DER UMGANG DER NAZIS MIT GEISTIG BEHINDERTEN KINDERN IM OLDENBURGER LAND Freitag, 6. 11. -- Vortrag von Dr. Ingo Harms in der Pestalozzischule Brake

DER UMGANG DER NAZIS MIT GEISTIG BEHINDERTEN KINDERN IM OLDENBURGER LAND
Freitag, 6. 11. -- Vortrag von Dr. Ingo Harms in der Pestalozzischule Brake

Da waren sich die Zeitzeuginnen sicher: "Die Braker Hilfsschule war neben der Volksschule Klippkanne in einer Holzbaracke. Sie war durch einen Zaun abgetrennt, manchmal reichten wir den Hilfsschülern Brote durch". So ein Zitat von Anita Krüger aus dem Zeitzeugengespräch, das am 13. Oktober im Christophorus-Haus geführt wurde (die Presse berichtete). Was aber geschah mit den damalligen Hilfsschülern und ihren Eltern? "Manchmal war jemand weg über Nacht", hieß es im Zeitzeugengespräch. "Wohin, das wussten wir nicht".

Antworten verspricht ein Vortrag, der am Freitag dieser Woche (06.11., 10:00) in der Aula der Pestalozzischule stattfinden wird. Der Medizinhistoriker Dr. Ingo Harms, Privatdozent am Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagigik an der Universität Oldenburg mit dem Forschungsschwerpunkt Regionale Gesundheits- und Sozialpolitik im Nationalsozialismus, referiert über den "Umgang der Nationalsozialisten mit geistig behinderten Kindern im Oldenburg Land". Harms hat über mehr als vier Jahre zu diesem Thema geforscht und eine dichte Quellenlage zusammengestellt, die teils Erschreckendes zutage gefördert hat: Volks- und Hilfsschullehrer, die ihre Schüler und deren Familien denunzieren, Beamte im Gesundheitsamt, die Zwangssterilisationen oder die Verbringung ins Landeskrankenhaus Wehnen anordnen. Zwangssterilisation wurde eingesetzt als probates Mittel zur Umsetzung der rassehygienischen Vorgaben. Der "Volkskörper" sollte verschont bleiben vor "Debilen", "sittlich tiefstehenden" "Nullitäten", diese sollten sich auf keinen Fall vermehren können. Schüler, die wiederholt sitzen geblieben waren und noch dazu womöglich als "aufsässig" oder  "verstockt" galten, liefen -- wie auch ihre Eltern -- ein hohes Risiko, gegen ihren Willen unfruchtbar gemacht zu werden. Harms hat zahlreiche Fälle eruiert, die auch Brake und die Wesermarsch betreffen.

Der in die Fünften Berner Bücherwochen eingebundene Vortrag ist Bestandteil eines von Pestalozzischule und Gymnasium Brake getragenen Buchprojekts zum Nationalsozialismus. Wie berichtet, haben Schüler beider Schulen unter Leitung von Alfred Büngen vom Geest-Verlag gemeinsam einen Roman verfasst, der das Schicksal fiktiver gleichaltriger Braker Schüler im Nationalsozialismus beleuchtet. Das Buch mit dem Titel "... und du bist raus! -- Die Geschichte der Esther Schmidt und anderer Braker Kinder und Jugendlicher" wird am 17.11. in der Anwesenheit des Geschäftsführers der Oldenburgischen Landschaft, Dr. Michael Brandt, seine Premiere feiern. Dann wird auch ein Hörspiel vorgestellt, das die Schüler auf der Basis des Romans erarbeitet haben (17.11. 10:00). Auch das eingangs erwähnte Zeitzeugengespräch war Element der Kooperation der beiden Schulen.

Der Vortrag von Ingo Harms am Freitag ist öffentlich. Alle Interessierten sind eingeladen, der Eintritt ist frei.

Infos, Reservierung: R. Rakow, tel. 04406-920046, berne-bringt@t-online.de