Die Diskussion geht weiter: ON bringt 8. Folge der Kär-Kär-Kär - Diskussion

ON, 10.3.2013
 
Der läuft ja herum wie ein Schablünter
„Osnabrücksch“  in Reinkultur – Erzähl mir kein vom Pferd   (8) 
 

Osnabrück (pr-) – Gibt es typische Osnabrücker Begriffe und Redewendungen? Diese Frage bewegt unsere Leser, die sich nach der Vorstellung des „Osnabrücker-Möchtegern-Wörterbuchs“ von Kalla Wefel und Heiko Schulze bei ON gemeldet haben.
 
Im Wörterbuch finden sich viele Redewendungen, aber sind die alle aus Osnabrück? Kennen Sie Redewendungen, die Sie als Osnabrücksch einstufen? Schreiben Sie uns!
Was sagen unsere Leser? Schreiben Sie uns: h.preuin@osnabruecker-nachrichten.de, rufen Sie uns an: Tel.
05 41/9 40 40 72.  Heute veröffentlichen wir in Folge 8 von „Erzähl mir kein vom Pferd“ weitere Zuschriften.
 
Dr. Joachim Voigt geht in seiner Zuschrift auf einen der ersten Artikel dieser ON-Reihe ein: Warum wird Osnabrück nicht auf der ersten Silbe betont wie die analog gebildeten Namen Ochsenfurt, Innsbruck, Ingolstadt, sondern auf der letzten. Dafür glaube ich eine Erklärung zu haben. Bei genauem Hinhören zeigt sich auch auf der ersten Silbe ein (Neben-)Akzent: Osnabrück. Bei zusammengesetzten Substantiven ist solche doppelte (oder „schwebende“) Betonung hier öfter zu hören: Hasetor oder aufn Sommertach“, in üblichem Hochdeutsch wäre das Hasetor oder Sommertag. Das ist m.E. keine Osnabrücker Besonderheit, sondern eine erhalten gebliebene Regel aller frühen westgermanischen Mundarten, die im Englischen als „level stress“ noch heute gilt: Ist ein Begriff aus 2 etwa gleichwertigen Gliedern zusammengesetzt, werden beide betont. So wird etwa die Themsebrücke beim Tower als Tower Bridge bezeichnet. Diese Gleichwertigkeit der Glieder zeigt sich auch in der Schreibung: Während wir ein Wort schreiben und nur das Bestimmungswort betonen (Goethedenkmal), sind es im Englischen 2 Wörter und 2 Akzente (Nelson Column).
 
  Walter Brockmann schreibt: Mit Interesse verfolge ich die Serie „Erzähl mir kein vom Pferd“ und gestatte mir einige Hinweise. Bei den veröffentlichten Begriffen und Redewendungen lässt sich unterscheiden zwischen solchen, die dem plattdeutschen und solchen, die der hochdeutschen Umgangssprache zuzuordnen sind. Die hochdeutsche Umgangssprache in OS-Stadt & Land ist beeinflusst von Begriffen und Redewendungen aus dem Plattdeutschen. Beispiele finden sich in den Beiträgen von Helga Schupp und Heinrich Dieckmann. Hierzu einige Ergänzungen: Ba = zum Kind: Musst du Ba machen? = Stuhlgang machen; beigehen =  zumKind: Da darfst du nicht beigehen! = nicht anfassen; ich will dabei gehen! = beginnen mit der Arbeit, eine Sache erledigen; krich das mal auf! = besser: Krieg das mal auf (Plattdeutsch: kriegen =  nehmen; mach ich echt gern leiden = besser: mag, mögen (siehe Dieckmann), das mag ich nicht = schmeckt mir nicht. Begriffe wie Balgkniepen (in Osnabrück eher Buukpiene) gehören zum Plattdeutschen. Blüsen und butt, wie auch deärbe, finden sich im Osnabrücker Hochdeutsch. Use Pappe is vorwech (besser: vorweg) ist ebenfalls Plattdeutsch: Ols wi kottens unnerweggens wören, göng use Pappe vorweg: voraus, vor uns her. Vorweg findet sich auch im OS-Hochdeutsch: Wenn ich ins Theater gehe, trinke ich vorweg = vorher, zuvor eine Tasse Kaffee. Typisch für die OS-Umgangssprache sind Sätze mit „für“ am Satzende: Da kann ich nicht für, da bin ich nicht zuständig für, da nicht für, das tue ich da nicht für.
 
Hans-Heinrich Börger aus Georgsmarienhütte schreibt: Neben Pielepoggen (Fröschen) gab es auch „Üssepoggen“ (Kröten), Ameisen heißen nicht „Mieglämkes“ sondern „Mieghiärmkes“, „Gaffeltangen“ waren nicht nur Ohrenkneifer, sondern wurde auch auf zänkische Frauen gemünzt (aule Gaffeltange). Börger beschreibt in seinem Brief auch, was er mit seinem Freund „Männi“ erlebt hat: Der liebte es zu „schnöken“ (hat nichts mit Schmötke zu tun). Dazu brauchte man ein Brennglas und ein Stück Plastik oder Zelluloid, das dann in Brand gesetzt wurde. Kam sein Vater dahinter, fletschte der die Zähne und bedachte ihn mit dem Ausdruck „auler Töffel“, was soviel wie Nichtsnutz bedeutet.
 
 Ingeburg Breunig rief uns per Telefon noch eine OS-Floskel zu: „Das kannst ruhig drintun“.
 
 Günter Zieschang hat aus seiner Jugendzeit bei Kabelmetal die Sprüche von „Urgestein“ Heinrich Wiemeyer noch im Ohr, der für das Schärfen von Werkzeugen zuständig war: „Das mußt du die Fräsers und die Bohrers nicht so schnell laufen lassen“. Ob die angehängten „s“ nun typisch osnabrücksch sind?
 
Und eine   fröhliche Anruferin, die anonym bleiben möchte („... vielleicht stelle ich mit diesen Sprüche ja jemand bloß ...“) hatte im Freundeskreis folgendes aufgeschnappt: „Der guckt schon wieder ganz gut drin“ (nach einer Operation), „das sagt der allemann im Telefon“ (über eine Quater-strippe), „mit denen kannst nicht eggen und nicht pflügen“ (über pubertierende Kinder), „man verkommt sich da ganz drin“ (wenn man wegen der Feiertage die Orientierung verliert), „da können sie aber dran hergucken“ (beim Anblick einer schönen Frau, vielleicht auch eines Mannes), „leg man nicht so viel Holz an die Runge“ (bei einer Übertreibung), „da könnt ich mich egalweg dran zugange halten“ (wenn es leckeres Essen gibt).
 
 Lothar Pülm hat in seinem reichen Berufsleben einiges zu hören bekommen. Hier einige Beispiele: Sie sabbelt egalwech = sie redet immerzu; Menschkerlmann = ähnlich dem bayerischen Fluch „Himmiherrgottsakra“; jemand heult Schnotten und Kiel = jemand weint Rotz und Wasser; er hat einen neuen Frickel oder Zwirn = einen neuen Anzug; Manchesterbuxe = Arbeiterhose aus Cord; er läuft herum wie ein Schablünter = wie ein Landstreicher; Schmacht oder Kohldampf = Heißhunger haben; Brand haben = Nachdurst; Köpper vom Dreier = Kopfsprung ins Schwimmbecken vom 3-m-Brett.