Ein schöner Abend - Artur Nickel berichtet über den Lesungsabend beim Elternverband und Lehrerverein Ruhr in Essen
Ein schöner Abend |
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Ein schöner Abend war das vor einigen Tagen beim Elternverband und Lehrerverein Ruhr in Essen. Die beiden Vereine, in denen sich vor allem türkisch-deutsche Eltern und Lehrer zusammengeschlossen haben, um sich besser in unsere Gesellschaft einbringen zu können, hatten Kinder und Jugendliche eingeladen. Sie sollten ihre Texte vorstellen, die sie für die neue Essener Anthologie geschrieben hatten, die Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde. Der Saal in der Ohmstraße war voll, so viele waren gekommen, um ihnen zuzuhören. Dass Erwachsene so etwas tun, ist bekanntlich nicht selbstverständlich. Hier war es vorbildlich, wieder einmal, und das ist es nun bereits seit einer Reihe von Jahren.
Neun Jugendliche lasen an diesem Abend, immer wieder unterbrochen von Musik und türkischen Volksliedern, bei denen jeder mitsingen konnte. Es ging um sich öffnende und sich verschließende Türen, das Thema der diesjährigen Anthologie. Die Texte dazu waren ausgesprochen interessant. Denn die Fragen, mit denen sich die Jungautorinnen und -autoren in ihnen beschäftigen, beschäftigen alle Jugendlichen, egal, woher sie stammen und wo sie zu Hause sind: das Verhältnis zu den Eltern, die Bedrohung des eigenen Zuhauses, die Beziehung zu den Nachbarn, die Schule, die Zukunft sowie Freundschaft und Partnerschaft. Es waren und sind die klassischen Jugendthemen also. Gehe ich durch die Tür mit allen Konsequenzen oder ziehe ich mich wieder zurück? Ich muss mich entscheiden. Darum ging es wieder und wieder.
Dass es in solchen Entscheidungssituationen immer wieder auch Gräben zu überwinden gilt, zeigte besonders schön die Geschichte mit dem Titel "Paradon", die Eda Muslubas geschrieben hat. In ihr schildert ein Ich-Erzähler auf märchenhafte Weise, wie er nach Paradon kommt und herauszufinden versucht, was sich hinter dem schwarzen Zauberschloss dort verbirgt. Er berichtet von der Aufnahme in ein Gästezimmer, von dem Verbot, das Schloss zu erkunden, von der Strafe, als er es wieder versucht, und von der lebensbedrohlichen Flucht, mit der der Zauber endet. Er kehrt nach Hause zurück.
Aber: Kann man nach solch einem Erleben überhaupt wieder einfach so nach Hause zurückkehren? Sicherlich nicht. Wo also kommt der Ich-Erzähler an? Es hat sich doch alles gewandelt. Und so stellt sich bei dieser Geschichte die Frage, ob und inwieweit sie nicht auch widerspiegelt, wie jemand in unserer Gesellschaft Fuß zu fassen versucht. Jedenfalls meint der Ich-Erzähler am Ende recht weise: "Vielleicht aber steckt hinter allem, was du siehst, auch eine Geschichte. Mit ein bisschen Mut kannst du auch das herausfinden!" Mit einem bisschen Mut? Die Geschichte von Eda Muslubas zeigt beispielhaft, wie sehr die Kinder und Jugendlichen im Revier zu Hause sind und von da aus ihr Leben gestelten. Es war in der Tat ein bemerkenswerter Abend!
Gelesen haben Emin Nam, Ibrahim Sogan, Melissa Celik, Eren Ekinci, Sude Özyurt, Eda Muslubas, Can Gültekin, Melis Demirhan, Eslem Dike und Eslem Orhan.
Für die musikalische Begleitung sorgten Melis Demirhan, Ilgin Cetiner, Eslem Orhan sowie Sevil und Efekan Yildrim.
Moderation: Kamuran Turan, Celal Aydemir.
Dann öffnete sich mir die Tür ...
Ein- und Ausblicke von Kindern und Jugendlichen aus dem Ruhrgebiet.
Andreas Klink und Artur Nickel (Hg.)
Grafiken von Veronika Effling
Geest-Verlag 2013
ISBN 978-3-86685-433-8
320 Seiten, 12,00 Euro
artur nickel, Anfang März 2014