Ella Kramer - Per aspera ad astra
Ella Kramer, 17 Jahre, Wildeshausen
Per aspera ad astra
Die nasskalte Luft des Herbstes hing wie ein Schleier über der Stadt. Lieblich umspielten die Nebelschwaden die monströsen Wolkenkratzer, während das Lichterspiel der Werbetafeln die Straßen in eine illusorisch-mustergültige Welt tauchte. Sachte, als könnten sie vernichten, fielen Wassertropfen nieder, dabei spiegelten sich in ihnen nur die Leben, die für Mikrosekunden kollidierten, bevor die kleinen Tropfen auf den Scherben am Boden zerschellten.
Jeder lief mit blutigen Füßen über diese Bruchstücke aus Glas. Der eine weinte. Der andere verzog bei jedem Schritt sein Gesicht. Und die meisten hatten sich längst an die Schmerzen, wenn die feinen Splitter in die Haut schnitten, gewöhnt. Sie funktionierten einfach. Sie waren ein funktio-nierendes Zahnrad in diesem komplexen System. Ein funk-tionierendes Zahnrad, das zum Rosten verdammt war.
Und diese Menschen, die in der Monotonie des Alltages ertranken, waren es, die mit dem Strom über die Scherben ihrer eigenen Träume liefen. Ihre Blicke stets getränkt mit Reue. Hatte der Rausch der Farben und Lichter in den Straßen, die so ein perfektes, illusorisches Leben nachbildeten, abgeklungen?
Mit jedem Schritt, den ich auf einem geborstenen Traum tat, drohte die kolossale, graue Wolkendecke tiefer zu fallen.
Mit jedem Schritt, den ich auf den Fragmenten einer Seele tat, spürte ich mehr und mehr dieses erdrückende Gefühl, das sich in mir breit machte.
Mit jedem Schritt, den ich im Strom der Gesellschaft tat, splitterte mein Traum allmählich.
Dabei fühlte ich mich doch so erdrückt. Zum Funktionieren gezwungen. In dieses desaströse System gedrängt. Während die Gesellschaft mich mit den anderen Gestalten um mich vergleicht. Mich mit Zahlen labelt. Mich durch Normen selektiert. Und in einen vorgefertigten Entwurf für ein perfektes Leben zwängt, um am Ende als rostiges Zahnrad aus dem System zu fallen und für einen kleinen Moment die Zahnräder um mich herum zum Stoppen zu bringen. Nur um mich schlussendlich auch in den Scherben meiner Träume und meiner Seele stehen zu lassen.
Ich will das nicht.
Ich will nicht wie all die anderen vergessen, dass hinter dieser grauen Wolkendecke das unendliche Himmelszelt mit seinen strahlenden Sternen liegt. Ich will nicht vergessen, wie es ist, die gewaltigsten Luftschlösser in den Weiten des Himmelsdoms zu errichten und die Sterne zu berühren. Ich will nicht vergessen, wie wundervoll die unterschiedlichsten Sterne strahlten, die die Träume aller in sich hielten. Denn das Strahlen der Sterne war fesselnd. All die Seelen zu sehen, die für ihre Träume lebten, dafür sterben würden.
Und dieser eine Stern, der das Dunkle der Welt um sich erhellte, das war mein Traum. Licht in die Welt zu bringen. Die paradoxen Geschehnisse in der Zukunft der Welt zu streichen. Menschen den Kleber zu reichen, wenn ihr Traum zu zerbrechen droht, weil die Welt nicht auf den Einschlag vorbereitet ist, den ihr Traum mit sich bringen wird. Ich will all den Menschen, die ihren Stern am Himmelszelt erblickt haben, eine Rakete schenken, damit sie ihn berühren können, ohne dass sie von der grauen Wolkendecke verschlungen werden und vergessen, nach oben zu sehen, sondern sich nur an den Schmerz ihrer Scherben gewöhnen. Ihnen einen Weg schenken, aus dieser grauenvollen Realität zu fliehen und zumindest für einige Momente in einer Welt durch die Straßen zu spazieren, in der kein Blut von Un-schuldigen vergossen wird, nur damit die Mächtigen noch mächtiger werden.
Das Schicksal dieser Welt ist vorgeschrieben. All die Seelen, die diese Welt zu einer Dystopie formen werden, stehen in den schwarz-weißen Buchstaben niedergeschrieben.
Aber ich werde die Seiten rausreißen und das Schicksal der Welt neu schreiben. Mit all den Menschen, die sich genauso wie ich in die Schönheit des Sternenhimmels verliebt haben, werde ich die Wolkendecke einreißen und durch diese zu den Sternen gelangen. Genauso wie die Personen, die es vor mir taten. Die Personen, die keine Angst vor einem freien Fall hatten und durch die Wolkendecke brachen, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.