Geht in die lektorale Arbeit: Christl Schmidt-Hollander

Geht in die lektorale Arbeit:

Christl Schmidt-Holländer

Tagtexte

 




Nach ihrem erfolgreichen
Roman ‚Sechs mal zehn’ (ISBN:
978-3-86685-025-5) legt die Autorin mit ihren Tagtexten ein neues Manuskript mit literarischen Kurztexten vor,
die in der Originalität der formalen Gestaltung und in ihrer inhaltlichen
Aussagekraft als eine literarische Besonderheit gewertet werden müssen.

Insgesamt teilt sich das
Manuskript in drei Kapitel, jeweils Texte eines spezifischen Zeitabschnitts, in
dem die Autorin täglich einen literarischen Blick auf eine ihr an diesem Tag
wesentliche Problemstellung verfasste.

 

Es fällt schwer, die Texte
einem literarischen Genre zuzuordnen. Für die Zuordnung zum Bereich Tagebuch
ist die literarische Verdichtung zu hoch, die Einordnung in die Kurzprosa
scheint nicht möglich, da den meisten Beiträgen keine Handlungsorientierung
zugrunde liegt. Der lyrischen Zuordnung entzieht es sich, da die Verdichtung und
Bildlichkeit bewusst niedrig gehalten, regelmäßige formale lyrische Elemente
nicht gewählt wurden.

 

Fast allen Texten liegt
die Auseinandersetzung mit einem einzelnen, zentralen Gedankenmoment zugrunde.
Die sprachliche Harmonie, der hohe Sprachfluss der Beiträge bindet dabei die
zumeist kritisch hinterfragende Ebene des Gedankens ein. Die Bereitschaft der
Annahme einer solchen harmonisierenden kritischen Hinterfragung von
Sachverhalten ist beim Leser hoch, da die Kritik und kritische Reflexion
aufgrund der sprachlichen Bindung niemals in irgendeine Form der Ironie oder
Polemik abrutschen kann. Die Kürze der Beiträge verdichtet das reflektierte Problem
auf seine Wesentlichkeit – was die Nähe zur Lyrik bewirkt.

Das Sprachniveau ist dabei
so gehalten, dass bewusst eine schlichte Wortwahl vorgelegt wurde, die
Bildlichkeiten und dargestellten Inhalte dem direkten Alltag entnommen werden.
Die Anbindung des Lesers ist somit – anders als in einer stärker verdichtenden
Lyrik – unproblematisch. Der Inhalt ist leicht erfassbar und von einer solch
bestechenden Einsichtigkeit, dass er einen nicht wieder loslässt, zumal die
Autorin Problemstellungen aufdeckt, jedoch keine Antworten gibt.