Geht in die lektorale Endphase: Karin Flörsheim - Die Wandlungen der Esther Flor

Karin Flörsheim

Die Wandlungen der Esther Flor

Roman

Geest-Verlag 2010

ISBN 978-3-86685-239-6

ca. 450 S.

 

 

Einen umfassenden biographischen Roman legt Karin Flörsheim mit  Die
Wandlungen der Esther Flor
vor.

Hier ein kurzer Ausschnitt aus der Eineitungssequenz:

Es war ein Sonntag im November. Esther saß an ihrem Arbeitstisch und
hatte eine kleine brennende Kerze, die einen zarten Duft verströmte, vor
sich stehen. Eine Stimme in ihr sagte: Die Lehre lehrt, meine Hände zu
leeren, entgegenzustrecken dem Feind, den Ärmsten dieser Welt. Als sie
begann, daraus ein Gedicht zu formen, hörte sie im Radio eine ihr
bekannte Stimme. Es war die von Charlotte Knobloch, der Vorsitzenden des
Zentralrates der Juden in Deutschland. „Ach ja, heute ist doch der
siebzigste Gedenktag der Reichspogromnacht!“, sagte sie zu sich selber.
Sofort lief sie zum Fernsehen. Ihr Mann hatte schon Platz genommen. Sie
hörten sich die Rede von der Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in
Deutschland in der Neuen Synagoge in Berlin an. Es wurde viel an diesem
Tag im Fernsehen gezeigt, auch Filmdokumente von der Progromnacht vom 9.
auf den 10. November 1938. Esther dachte: „Die Münder werden nicht
satt, dürsten nach Blut. Immer wieder wird es vergossen. Augen und
Münder stehen offen, sind leer!“ Das Bewusstsein, wie sinnentleert
Menschen handeln, wenn sie keine Ethik, keinen Gott, keine Kultur in
sich tragen, schmerzte sie erneut. Ihre Gedanken wollten Raum, wollten
wandern, wanderten in eine andere Zeit.