Grenzerfahrungen - erster Überblick über die Einsendungen von 368 AutorInnen zur Berner Bücherwoche
„Die Rache des Wurstels" brauchte am längsten: Am 30. Juni fristgerecht von der Post abgestempelt, ging die so betitelte Kurzgeschichte eines Wiener Autoren, im Brotberuf Zoologe und Universitätsassistent, am 15. Juli, nach mehr als zwei Wochen, in Berne ein: Rekord! Zusendungen aus den USA (12 Tage) und Neuseeland (10), ein Einschreiben gegen Rückschein aus Rumänien (9) brauchten deutlich weniger Postlaufzeit, und sogar der Brief einer Augsburger Studentin, eingetütet in Berlin und versandt zunächst nach Bern in der Schweiz, war nach acht Tagen in Berne in der Wesermarsch, um dort in den Fundus der Texte zur Ausschreibung „Grenzerfahrungen" aufgenommen zu werden.
368 Autorinnen und Autoren aus der ganzen Welt bewerben sich mit ihren Einsendungen um Aufnahme in die Anthologie „Grenzerfahrungen", die der Geest-Verlag Langförden im Rahmen der Zweiten Berner Bücherwochen im Herbst veröffentlichen wird. „Das ist schon eine stolze Zahl", meint auch Verleger Alfred Büngen nach langjährigen Erfahrungen mit Ausschreibungen, „Bei manchen Ausschreibungen ist man froh, wenn hundert Teilnehmer zusammen kommen". Hohe Beteiligung und gute Akzeptanz dürften sich dem Reiz des Themas und der Allgegenwart des Internets verdanken.
Im Vergleich zu den Ersten Berner Bücherwochen kommen die meisten Beiträge zwar unverändert aus der Wesermarsch; der Anteil der Autoren von außerhalb ist aber deutlich gestiegen. Bezogen auf das Bundesgebiet stellt das Postleitzahlgebiet 2 mit 103 Einsendungen (28 %) den Spitzenreiter; die übrigen Bereiche, von 0 bis 9, sind flächendeckend mit jeweils rund 6 % vertreten. Der Rest entfällt aus Zusendungen aus dem Ausland (Österreich, Schweiz, Italien, Frankreich, Rumänien. Neuseeland, USA). In der Hitliste der Orte führt Berlin (29 Beiträge) vor Berne (27) und Bremen (19), München (17) und Oldenburg (14). Rang 6 belegt Wien mit 12 Teilnehmern.
Auffallend ist auch, dass diesmal die allermeisten Beiträge zum Ende der Frist eingingen, nach Einschätzung von Alfred Büngen ein Indiz dafür, dass es sich um eigens für diese Ausschreibung neu verfasste Texte handele. Frühe Einsendungen entstammen nicht selten literarischen Halden.
Mit einigem Stolz verweist Bücherwochen-Organisator Reinhard Rakow darauf, dass es auch diesmal gelungen sei, breite Bevölkerungsschichten einzubinden. Ob Friseuse oder Medizinprofessor, ob Landwirt oder Altphilologe -- die Selbstauskünfte der Teilnehmer spiegeln die Vielschichtigkeit der Gesellschaft. Auch altersmäßig: Die jüngste Teilnehmerin, Waldorfschülerin aus Mönchengladbach mit dem Auszug aus dem Manuskript eines eigenen Fantasy-Romans, ist vierzehn, der älteste Teilnehmer, ein Verwaltungsdirektor a.D., zählt mit 98 siebenmal so viele Jahre.
Unverändert ist schließlich die Neigung der Teilnehmer geblieben, die zulässige Seitenzahl von diesmal 15 Seiten DinA 4 möglichst auszuschöpfen. Derzeit füllen geschätzte 5000 Seiten noch zwanzig Aktenordner. Wenn die Jury, der u.a. die Berliner Literaturprofessorin Dr. Gudrun Schulz, Dr. Michael Brandt von der Oldenburgischen Landschaft und der Landtagsabgeordnete Björn Thümler angehören, zu Ende bewertet und sortiert haben wird, sollen davon an die vierhundert Buchseiten übrig bleiben.