Handreichung mit pädagogischen Zusatzinformationen für das Projekt 'Zwischen meinen Welten unterwegs'

Zwischen meinen Welten unterwegs.
Neues von den Kindern und Jugendlichen aus dem Ruhrgebiet

Handreichung
mit
pädagogischen Zusatzinformationen

Ein Buchprojekt in Kooperation zwischen dem
Grend Bildungswerk  in Essen und dem Geest-Verlag in Vechta

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem Buchprojekt „Zwischen meinen Welten unterwegs“ wollen wir gemeinsam mit Ihnen etwas Besonderes schaffen, und darum bitten wir Sie um Ihr Engagement. Wir wollen

• Kinder und Jugendliche bis in bildungsferne Schichten hinein zum freien
   Schreiben anregen,
• ihnen über das Schreiben neue Perspektiven eröffnen, wie sie sich mit
   ihren Vorstellungen und Bedürfnissen in unsere Gesellschaft einbringen
   können,
• für sie Leistungsanreize schaffen, indem herausragende „literarische"
   Einzelleistungen mit der Aufnahme in die Anthologie belohnt werden,
• ihnen ein literarisches Podium für eine gelungene Verständigung mit sich
   selbst und anderen bieten,
• Brücken bauen, wo es notwendig ist,
• einen Beitrag zur ästhetischen Erziehung leisten,
• auf literarischer Ebene Impulse für eine intensive Bildungsarbeit setzen.

Am Ende soll ein Buch stehen, in dem die interessantesten Texte veröffentlicht werden, die im Rahmen des Projektes entstanden sind.

Die Chance zur Standortbestimmung

Eine ganze Reihe von Essener Anthologien gibt es inzwischen.  Die Titel:

„Fremd und doch daheim?!“, Vechta 2005,                            „Dann kam ein neuer Morgen“, Vechta 2006, 
„Heute ist Zeit für deine Träume“, Vechta 2007,                      „Pfade ins Revier – Pfade im Revier“, Vechta 2008,  
„Ruhrkulturen. Was ich dir aus meiner Welt erzählen möchte“, Vechta 2009,  „Märchenhaftes zwischen Emscher und Ruhr“, Vechta 2010.

 Immer wieder ging es darum, einen ganz besonderen Blick auf die Sichtweisen von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund in Essen/im Ruhrgebiet zu werfen. Ganz alltägliche Probleme von Jugendlichen sollten in den Vordergrund gerückt
werden, die bei einer gelungenen oder noch ausstehenden Integration in die Welt der
Erwachsenen aufgetreten sind oder auftreten. Mit ihren inzwischen weit über 500 Texten sind die Essener Anthologien geradezu ein Schatz der Jugendkultur geworden. Seismographisch zeigen sie Jahr für Jahr auf, wie sich die Kinder und Jugendlichen im Ruhrgebiet fühlen und wie sie sich entwickeln. Das geschieht sicherlich nicht mit Hilfe wissenschaftlich-exakten Methoden, wohl aber sehr persönlich und authentisch. Das jeweils neue Thema entsteht dabei immer wieder in Auseinandersetzung mit dem, was an Beiträgen für die letzte Anthologie geschrieben worden war und was sich vor diesem Hintergrund an zentralen Fragen stellt. Genauso soll das auch bei dem neuen Buch sein.
„Zwischen meinen Welten unterwegs“ spielt darauf an, dass sich Kinder und Jugendliche oft genug in verschiedenen Welten bewegen. Welche dies jeweils sind, hängt von ihrem Alter, von der Situation, aber auch von der Kultur ab, in der sie leben. Viele von ihnen wechseln mehrmals am Tage zwischen ihnen hin und her. Viele schauen wir an, um mit ihnen zu sprechen, und stellen fest, dass sie in Wirklichkeit ganz woanders sind. Für uns ist das ein Grund, dem einmal genauer nachzuspüren, um zu beleuchten, was es mit diesem Phänomen auf sich hat.
Dass sich daraus wichtige Impulse für die Kinder- und Jugendpolitik sowie die Integrationspolitik ergeben können, liegt auf der Hand. Allen Institutionen, die mit jungen Menschen zu tun haben, wie Schulen, Jugendgruppen usw., bietet das Buchprojekt daher eine Chance zur Standortbestimmung: Erreichtes kann dokumentiert, noch nicht Mögliches verdeutlicht werden. Und vielleicht ist hin und wieder sogar mit neuen Einsichten zu rechnen, wenn ..., ja, wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren, den Kindern und Jugendlichen in Ihren Einrichtungen Raum geben, sich mit der Thematik zu befassen. Deshalb sprechen wir Sie an!

Worum geht es genau?

Wenn wir von „der“ Welt sprechen, meinen wir in der Regel unsere Welt als Ganzes, als Totalität. Sie umgibt uns und bestimmt uns in ihrer Gesamtheit. Eigentlich gibt es nichts, das außerhalb von ihr ist.. Insofern mag es für den einen oder anderen befremdlich sein, wenn dieses Projekt davon spricht, dass Kinder und Jugendliche in mehreren Welten leben. Dies ist  aber gar nicht so ungewöhnlich, wenn man einmal genauer hinschaut. So bauen beispielsweise die Eltern ihren Kindern eine Welt, in der sie sich zu Hause fühlen sollen.  Diese wiederum erschaffen sich ihre eigene, indem sie etwa ihr Zimmer eigenständig gestalten (so sie eines haben), Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen und sich ihre Freunde, Freundinnen oder Kollegen suchen. Oft genug bildet die Schule für sie eine eigene Welt, eine bestimmte Jugendgruppe, in der sie sich geborgen fühlen, oder auch der Sportverein. Oft genug ist es ein Ort, an den sie sich zurückziehen, der sie anzieht, eine andere Welt darstellt oder der ihnen Welten eröffnet.  Noch einmal ganz andere Welten bewohnen die Kinder und Jugendlichen, deren Familien aus anderen Ländern stammen, die in anderen Kulturen aufwachsen. Da stellt sich natürlich die Frage, wie sie zwischen ihren Welten hin und her wechseln?  Sicher ist, für sie ist das Zuhause-Sein und das Fremdsein mit ganz eigenen Erfahrungen verbunden
Gleiches gilt für die Zukunft. Aus welchen Partikeln wird sich die zukünftige Welt zusammensetzen, die sich die Kinder und Jugendlichen bauen? Oder gehen sie da völlig neue Wege? Ein hochinteressantes Spektrum, zumal niemand seine Vergangenheit einfach so abstreifen kann. Oder?

Die entwicklungspsychologische Perspektive

Nicht zu unterschätzen sind die entwicklungspsychologischen Dimensionen, die mit dieser neuen Thematik angesprochen werden. Die Pubertät wirft junge Menschen ja nur allzu oft in neue Welten – wünschenswerte und weniger wünschenswerte. Sie selbst ändern sich, ihr Umfeld tut es auch. Und so müssen sie sich mit den Veränderungen auseinandersetzen und sich ihnen stellen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sie nicht in der Identitätsdiffusion landen, sondern Schritt für Schritt ihre Identität herausbilden können.
Welten über Welten, die ihr Recht einfordern und zwischen denen Kinder und Jugendliche unterwegs sind. Welten, die untergegangen sind oder die sie sich erträumen. Welten, die sie ersehnen oder die sie fürchten. Welten, die für sie real sind oder die es ihnen nur erscheinen: Traumwelten, Unterwelten, Fantasiewelten, Urlaubswelten, Parallelwelten.  

Unterwegs sein

Es gibt aber thematisch noch einen zweiten Aspekt, mit dem sich die Kinder und Jugendlichen immer wieder auseinandersetzen und dem sie sich stellen müssen. Das ist das Moment des Unterwegsseins. Unterwegs zu sein steht für ein Sich-entwickeln, für ein Sich-vorwärts-bewegen, aber auch für sein Gegenteil, für den Stillstand, ja, sogar für den Rückschritt. Was jeweils was ist, ist jedoch oft nur eine Frage der Perspektive. Denn stehen zu bleiben, kann auch dafür stehen, dass der Betreffende inne hält, um sich seines Standorts zu versichern und sich zu orientieren. Ein Rückschritt wiederum kann der Versuch darstellen, sich seines Weges zu versichern oder gar aus einer Sackgasse den richtigen Abzweig zu finden. Und: Kann die Bewegung vorwärts nicht auch ein Mittel sein, um  aus der eigenen Verantwortlichkeit zu fliehen?
Die Vorstellung, zwischen Welten unterwegs zu sein, eröffnet den Kindern und Jugendlichen daher ein weites Feld! Wie ist der eigene Weg einzuschätzen? Wie erscheint er und was beinhaltet er wirklich? Wo entscheiden sie selber über ihren Weg, wo tun dies andere? Gehen sie ihn aus eigenen Stücken oder werden sie getrieben? Wie stellt sich ihre Wirklichkeit dar, wie hätten sie sie gerne?

Gattungen

Eine bestimmte literarische Form wollen wir bei diesem Buchprojekt nicht vorgeben. Die Kinder und Jugendlichen sollen grundsätzlich selbst entscheiden, was zu ihren Inhalten passt. Sie können sich an traditionellen Vorbildern orientieren, aber durchaus auch eigene Vorstellungen entwickeln. Das ist offen. Gleichwohl kann es sinnvoll sein, ihnen hier und da Orientierungshilfen zu geben, um sie beim Schreiben zu unterstützen. Es ist kein Ausschlusskriterium.

Von sich selbst erzählen

„Wer sich auf das Erzählen einlässt, der (...) tut es, um sein Leben zu leben.“ Dieser
programmatische Satz , den Peter Bichsel 1982 in seinen Frankfurter Poetik-Vorlesungen geäußert hat (P. B., Der Leser. Das Erzählen, Darmstadt und Neuwied 1982) könnte auch für das stehen, was die neue Ruhrgebietsanthologie will. Wenn Kinder und Jugendliche erzählen, dann sind das keine Fingerübungen. Schon gar nicht, wenn es um ihre Belange geht. Denn in ihren Texten setzen sie sich mit ihren
Erfahrungen auseinander und beziehen diese auf ihre Wirklichkeit. Was sie erzählen und wie sie dies tun, spiegelt also viel von dem, was in ihnen vorgeht. Und das ist wichtig, damit sie ihre persönliche Zukunft in unserer Gesellschaft finden. Wie verarbeiten sie das, was sie erlebt haben? Wie beschreiben sie, was gewesen ist? Welche Worte finden sie für die Fakten, welche für das, was es zu gestalten gilt?
Welche Erkenntnisse führen sie weiter? Gehen sie auf Fantasiereisen oder bleiben sie im Hier und Jetzt stecken? Welche (literarische) Formkraft entwickeln sie, um das darzustellen, was sie darstellen wollen? Davon auszugehen ist auf jeden Fall, dass das, was bei ihnen auf erzählerischer Ebene passiert, in vielerlei Hinsicht sein Pendant bei ihnen selbst findet. Und das ist gerade für ihr Lebensalter wichtig. Es ist ein Schritt sprachlicher "Verortung", der sie den Blick nach vorne richten und Perspektiven entwickeln lässt. Was will ich? Was kann ich? Wie kann ich das, was ich will, erreichen? Es sind Fragen, die ihnen Wege eröffnen, sich kritisch und selbstkritisch mit der eigenen Zukunft zu befassen. Und für jeden, der mit jungen
Menschen zu tun hat und sich für ihre Belange interessiert, etwas, an dem er eigentlich nicht vorbeigehen kann.

Ihre Aufgabe als Multiplikator

Bitte fordern Sie Flyer für die Weitergabe an Ihre Schüler/innen, Kinder und
Jugendlichen an, mit denen Sie arbeiten oder Kontakt haben. Geben Sie diese
an die Kinder und Jugendlichen weiter. Nutzen Sie Ihre Position als Lehrer/in,
Jugendleiter/in, Sozialarbeiter/in, Erzieher/in, Elternteil, usw. und geben Sie den
Kindern und Jugendlichen, die Sie betreuen, Raum und Zeit, Texte zum Thema
„Zwischen meinen Welten unterwegs“ zu verfassen. Ermuntern Sie sie, in der
Sprache zu schreiben, in der sie sich zu Hause fühlen! Ermutigen Sie sie, beraten Sie sie!
Leiten Sie die gesammelten Texte bitte weiter! Bitte wählen Sie nicht vorher aus! Schicken Sie uns möglichst alle Texte, die bei Ihnen entstanden sind! Oft genug gibt es auch bei scheinbar Schlechteren einige Beiträge, die trotz mangelnder Sprachrichtigkeit Interessantes aufzeigen!  
Manchmal muss das freie Schreiben vielleicht noch geübt werden. Hilfestellung dazu bietet beispielsweise die Musenkussmischmaschine, eine Sammlung von 132 Schreibspielen, die Gerd Herholz, der Leiter vom Literaturbüro Ruhrgebiet, herausgegeben hat. Wie man dabei von kleinen Wortübungen bis hin zu umfassenderen Aufgaben vorgehen kann, beschreibt beispielsweise der Jugendbuchautor und Schulschreiber Ralf Thenior in seinem Aufsatz „Das geheime Leben der Wörter. Freies Schreiben in der Schule“. Aber auch sonst gibt es viele Bücher oder Internetadressen, die über das freie Schreiben und seine Möglichkeiten Auskunft geben.   

Wichtige Hinweise

Selbstverständlich dürfen die Jugendlichen, vor allem die mit Migrationshintergrund, in der Sprache schreiben, in der sie sich zu Hause fühlen. In welcher, das sollte gegebenenfalls mit angegeben werden. Die für den Abdruck in der Anthologie ausgewählten Texte werden, wie im Verlagswesen üblich, Korrektur gelesen und den Jungautorinnen und –autoren noch einmal zur Kontrolle vorgelegt. Wenn Sie Fragen haben, dann melden Sie sich bitte bei uns! Wir beraten Sie gerne.
1 bis 3 Texte pro Person (jeweils max. 5 Din A4-Seiten).
Die Ausschreibungsfrist endet am 1. August 2011.

Adresse

Kulturzentrum Grend
z. Hd. Andreas Klink
Stichwort „meine Welten“
Westfalenstraße 311
45276 Essen
Absender (Telefonnummer, Email-Anschrift und  Alter nicht vergessen!)

Die Jugendlichen, deren Texte aufgenommen werden, werden schriftlich informiert. Wer an dem Projekt teilnimmt, erklärt sich damit einverstanden, dass sein Beitrag
in dem Buch und in Verbindung damit gegebenenfalls auch in anderen Medien
veröffentlicht wird. Eingesandte Texte können leider nicht zurückgeschickt werden, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Weitere Infos unter

www.ruhrlesebuch.de
www.arturnickel.de
www.geestverlag.de

Ausgewählte Literaturangaben

Gerd Herholz (Hg.): Die Musenkussmischmaschine, eine Sammlung von
132 Schreibspielen, Neue Deutsche Schule
Verlagsgesellschaft, 3. überarb. Aufl. 2003, ISBN 3879642702;
13,80 Euro
Ralf Thenior: Das geheime Leben der Wörter. Freies Schreiben in der
Schule, Dortmund 2004 unter www.literaturbueroruhr.de
( Schulschreiber 2001 2004)

Im November 2011 soll die Anthologie erscheinen und mit einer öffentlichen
Lesung präsentiert werden. Das geben wir rechtzeitig bekannt. Danach kann es
weitere Lesungen und Veranstaltungen im Ruhrgebiet geben, um das Buch zu präsentieren und die in den Texten angesprochenen Themen in Schulen und anderen Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, zu diskutieren. Wenn Sie daran Interesse haben, Anregungen haben oder uns unterstützen möchten, wenden Sie sich bitte an uns! Das Gleiche gilt, wenn Sie andere Fragen zu dem Buchprojekt haben. 

Wir sind gespannt auf die Texte und verbleiben

mit herzlichen Grüßen

Dr. Andreas Klink
GrendBildungswerk
im Kulturzentrum Grend
Westfalenstraße 311
45276 Essen
Tel.: 02018513220
Fax: 02018513250
info@ruhrlesebuch.de
www.grend.de 

Dr. Artur Nickel ( Lehrer und Autor in Essen )
Tel.: 020186069647
Fax: 020186069631
arturnickel@web.de
www.arturnickel.de

Alfred Büngen
Geest-Verlag
Lange Straße 41 A
49377 Vechta
Tel.: 04447856580
Fax: 04447856581
info@geestverlag.de
www.geestverlag.de