Heike Avsar berichtet über zwei besondere solidarische Lesungen zur Thematik 'Obdachlosigkeit'

Heike Avsar: 

Zwei unvergessliche Lesungen aus „Der tiefe Fall des Herrn P. oder die Würde des Menschen“ liegen hinter mir, von denen ich gern berichten möchte, um auch weiterhin auf die Not der Menschen aufmerksam zu machen, die oftmals weder von der Politik, noch von der Gesellschaft wahrgenommen werden. 

Am 07. November 2025 hatten der Berliner Dokumentarfotograf Siebrand Rehberg, die Schmuck-Gestalterin Martina Dempf und ich zum Gemeinschaftsprojekt „Zwei Ansichten – Leben ohne Dach über dem Kopf“ Lesung und Fotografie, geladen. 
Über 30 Gäste waren trotz des schwierigen Themas unserer Einladung gefolgt und in die Schmuckgalerie von Martina und Harald Dempf in Kreuzberg gekommen. Ein Ort, an dem sonst das Schöne gezeigt wird. 
Zu unserer Überraschung war jeder Stuhl im kleinen Atelier besetzt. 
75 Minuten wurde gelesen, dazu ca. 100 berührende, aber auch schockierende und sehr nachdenklich machende Fotografien S. Rehbergs auf die Leinwand projiziert, die wohnungs- und obdachlose Menschen in Berlin zeigten. 
Am Ende gab es viel Applaus, einen regen Austausch mit einem begeisterten, sehr nachdenklich gewordenen Publikum, das uns darin bestärkte, unbedingt mit unserem Projekt weiterzumachen, was auch für 2026 geplant ist. 
Wir hatten auf Eintritt verzichtet und stattdessen um Spenden für die Obdachlosenhilfe gebeten. 
Die größte Überraschung war für uns, dass insgesamt 311 Euro Spendengelder zusammengekommen waren, die wir an das Kreuzberger Projekt für Obdachlose und Arme „Gitschiner15“, (ein Projekt der Ev. Kirchengemeinde vor dem Halleschen Tor), das demnächst 25-jähriges Bestehen feiert, überweisen konnten. 
Ein mehr als gelungener Abend, der uns mit unglaublichem Glück erfüllte, und der uns zeigte, dass sich all die unzähligen Wochen an Vorbereitungen und intensiver Arbeit, gelohnt haben. 
Danke an den Journalisten Erik Steffen, der bereits zur Langen Buchnacht in Kreuzberg 2025 die Idee zu unserem Projekt „Zwei Ansichten“ hatte. 

Am Sonntag, den 09. 11 2025 war ich im Lese- und Kulturcafé Charlottenburg zur alljährlich im November stattfindenden Erinnerungslesung eingeladen. Wie wir alle wissen, ist der 09.11. ein geschichtsträchtiger Tag: Reichpogromnacht und Mauerfall. Und in diesem Jahr sollte eben auch an all die unzähligen wohnungs- und obdachlosen Menschen erinnert werden. 
Ca. 40 Gäste waren gekommen, um der Lesung aus „Der tiefe Fall des Herrn P.“ beizuwohnen. Am Ende ein tolles Feedback für Roman und Lesung, auch hier ein interessanter Austausch mit dem Publikum, Bücherverkauf, eine Einladung zu einer Lesung in Dahlem für 2026.
Und mehrfach die Aussage: danke für diese Lesung. Ich werde jetzt mit ganz anderen Augen auf obdachlose Menschen schauen. Genau das ist, was ich mit meinem Roman noch immer erreichen möchte: dass ein Umdenken in der Gesellschaft stattfindet. Kein Mensch kommt als Obdachloser zur Welt, jeder von ihnen hat ein Vorleben und seine ganz persönliche Geschichte, weshalb er in die Obdachlosigkeit geriet. 

Das Thema ist leider brandaktuell. In Berlin ist es selbst für die Mittelschicht fast unmöglich, noch bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das neueste Cover vom Mieter-Echo zeigt einen Mann im Schlafsack in der U-Bahn Station Unter den Linden mit dem Text: „Endstation: Wohnungslosigkeit. Senat rechnet bis 2030 mit über 100.000 Wohnungs- und Obdachlosen“.